Aktuell bin ich gerade dabei, das Pendel für mein PPU-Projekt zu konstruieren. Der Pendelkörper (Linse/Zylinder/Doppelzylinder) soll auf einem (bevorzugt) einteiligen oder zweiteiligen Standrohr ruhen. Der Auflagepunkt kann (bevorzugt) im Massenschwerpunkt des Pendelkörpers liegen, aber auch nach oben oder unten verschoben sein.

Mithilfe einer Tabellenkalkulation habe ich mögliche Dimensionierungen für eine solche Temperaturkompensation ausprobiert. Dabei habe ich als Optimum eine theoretische tägliche Gangänderung von +0,0017 s/K gefunden.

Dass die Uhr diesen Gang auch haben wird, halte ich für ausgeschlossen. Dafür gibt es viel zu viele weitere Einflüsse. U.a. haben die Ausdehnungskoeffizienten der verwendeten Werkstoffe einen gewissen Toleranzbereich.

Ich würde gern erfahren, ob es hinsichtlich der Planung einer Temperaturkompensation grundsätzliche Vorstellung dazu gibt, ob eine genaue Kompensation oder beispielsweise eher eine leichte Überkompensation angestrebt werden sollte.

Aus meiner Sicht halte ich eine leichte Überkompensation für sinnvoller, weil man dann später durch Kürzen des Standrohrs bzw. des zusätzlichen Kompensationsrohrs die Temperaturkompensation anpassen könnte.

Roland

Ganz unabhängig davon, dass man eine leichte Überkompensation u.U. dazu benbutzen kann, einen Teil der barometrischen Kompensation mitzuerschlagen, ist eine Einstellmöglichkeit sicherlich eine gute Idee:
Denn woher willst Du wissen, dass die Materialchargen der von Dir verwendeten Stäbe u. Hülsen sich auch exakt an die Ausdehnungskoeffizienten halten, die Du in Deiner Tabellenkalkulation angenommen hast?
Ein Austausch oder Abdrehen von Hülsen, wie von Dir genannt, ist eine bewährte und einfache Lösung; besser wäre eine Verstellmöglichkeit, ohne das Pendel abhängen und zerlegen zu müssen, und noch besser wäre, wenn dies stufenlos möglich wäre (Burgess Clock B wurde erst mit einer stufenlosen Kompensationsverstellung nachgerüstet).
Vorteilhaft beim Doppelzylinder ist übrigens, dass ev. Ausgleichshülsen ebenso wie der Pendelstab von der Luft umspült werden und damit schneller auf Änderungen reagieren, als wenn man sie im Inneren der thermischen Masse einer Linse vergräbt.

Moritz

Man kann sich den Mund fusselig reden oder beliebig viel in Foren schreiben, es nützt alles nix (überflüssiger Text). Relativ unbestritten ist ja, dass sinkender Druck zu einer vorgehenden Uhr führt. Sinkender Druck bedeutet sinkende Luftdichte. Auch bei steigender Temperatur sinkt die Luftdichte. Um das zu kompensieren, müsste das Pendel also "länger wenn warm" sein. "Kürzer wenn warm" kann nur dann sinnvoll sein, wenn die Luftdichte (egal ob durch Druck oder Temperatur verändert) bereits vollständig kompensiert ist. Dann bleibt nur noch ein sehr geringer Viskositätseffekt (eta ~ T^0,333), der mit "kürzer wenn warm" noch kompensiert werden kann.

Der Tipp ist also, eine einfach zu verstellende Kompensation vorzusehen, die einen "viel zu großen" Verstellbereich hat. Den brauchst Du auch, falls Du mal eine klassische Barometerkompensation (mit Aneroiddosen) anbaust, da sich die Temperaturabhängigkeit dann nochmal drastisch ändert.

LG, Willy

Um in die gleiche Kerbe zu hauen, die Kompensation muss verstellbar sein, da die Ausdehnungskoeffizienten von Stab und Kompensation nicht genau vorbestimmbar sind.
Ein Abdrehen eines einteiligen Rohres geht nur in eine Richtung. Meine Lösung war eine Gewindehülse im Kompensationsrohr, die eine stufenlose Verstellung zulässt. Wenn die richtige Länge ermittelt ist, kannst Du dieses Rohr gegen ein einteiliges Rohr gleichen Materials ersetzen.
Die Kompensation soll außerhalb der Linse sein, damit sich Stab und Kompensation gleichmäßig und gleich schnell einem Temperaturwechsel anpassen können.
Zur Konzeption des Pendels kann ich wärmstens das Buch "Accurate Clock Pendulums" von Robert J. Matthys empfehlen.
Es ist leider nur in Englisch, auch digital, erhältlich.
Grüße
Achim

Ich danke Euch für die konstruktiven Hinweise und Vorschläge.

Statt eines einteiligen, zu langen Kompensationsrohrs werde ich mir etwas einfallen lassen, dieses aus zwei verschraubbaren Rohrteilen herzustellen. Diese bleiben ja zwischen den Pendelzylindern erreichbar.

LG
Roland

Zitat von Willy im Beitrag #3

---

Dann bleibt nur noch ein sehr geringer Viskositätseffekt (eta ~ T^0,333)

---

Zitat von Achimk im Beitrag #4

---

... die Kompensation muss verstellbar sein, da die Ausdehnungskoeffizienten von Stab und Kompensation nicht genau vorbestimmbar sind.

---

Ich fand ja zum Verständnis der verschiedenen, miteinander verschränkten Einflüsse folgende Tabelle von D. Saff (nach M. Burgess) ganz hilfreich:

Burgess_Table.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
(aus Donald Saff: Rescuing Martin Burgess's Clock B; in: Rory McEvoy u. Jonathan Betts: Harrison decoded, Oxford, 2020)

Auch wenn man jetzt wieder trefflich über jede einzelne Zelle und das Fazit trefflich weiterstreiten könnte...

Moritz

Hallo Moritz,
hilfe! Warum verändert sich das Gewicht des Pendels wenn sich der Luftdruck ändert?

LG Christian

Weil sich (über die geänderte Luftdichte) der Auftrieb ändert.

Moritz

Ah, verstehe. Danke!

LG Christian

@Bierjunge
Hallo Moritz,
danke für diese Tabelle. Das ist eine gute Merkhilfe.
LG
Roland

Zitat von Willy im Beitrag #6

---

Im Vergleich zu Luftdichte- und -viskositätseinfluss sind die Ausdehnungskoeffizienten aber fast präzise.

---

, oder den Ausdehnungskoeffizient am vorhandenen Invarstab zu messen.
Eine direkte Messung geht nicht ohne Aufwand. Ich hatte mir damit beholfen, indem ich den Invarstab und einen Messingstab an ein Stahlrohr befestigt hatte und die Längendehnung relativ zum Stahlrohr gemessen hatte. Der Temperaturunterschied bei den Messungen betrug ca 20 K.
Damit erhält man direkt das Verhältnis von Invar zu Messing und engt damit den Verstellbereich schon mal deutlich ein.
Grüße
Achim

Zitat von Enno im Beitrag #12

---

Zitat von Willy im Beitrag #6

---

Im Vergleich zu Luftdichte- und -viskositätseinfluss sind die Ausdehnungskoeffizienten aber fast präzise.

---

Schön wär's. Für Invar wird in Materiallisten beispielsweise ein Temperatur-Ausdehnungskoeffizient zwischen 0,5 und 1,2 x10^-6 angegeben, ...

---

Die Wärmedehnung von Invar ist selbst im kleinen Temperaturbereich von Uhren nicht konstant und meines Wissens gibt es sogar erratische Sprünge.
Riefler hat sein Invar wohl einem sehr langwierigen Glühprozess unterzogen um das zu minimieren.
Etwas besser bei Raumtemperatur ist INVAR 42,5 (Superinvar), das aber praktisch nicht erhältlich ist. (ich hätte da noch eine massive 40er Stange rumliegen)

Ungleich konstanter und mit deutlich geringerem Koeffizient ist Glaskeramik wie z.B. Zerodur von Schott, die man in undefinierter Qualität und kostenlos auch als Ceran in alten Kochfeldern findet.
Ich nehme nicht an, dass Schott bei Ceran absichtlich eine schlechtere Technologie als bei Zerodur anwendet. Ein bisschen unsauberer vielleicht.
Fliesensäge rausgeholt und los geht's.
Das Material ist sehr stabil und lässt sich mit Diamantwerkzeugen gut bearbeiten.