Motiviert durch eine AU, an der ich vor einiger Zeit einen an sich einfachen Glastausch vorgenommen habe, wollte ich im Nachhinein einmal testen, wie die Uhrmacher im Internet mit solch einer Reparaturanfrage umgehen.
Zur Erklärung vorweg:
Ich hatte mit dem Glastausch einige unvorhersehbare Schwierigkeiten aufgrund spezieller Details dieses Modells gehabt. Der Aufwand war um einiges höher als man dies sonst hat. Es ging um den Austausch des Mineralglases an einem aktuellen Uhrmodell mit großer Drehlünette.
Besonderheiten, die sich erst bei der Arbeit für mich ergaben, machen:
Die Lünette ist über einen Wulst auf das Gehäuse gepresst und läuft hinter diesem Wulst nur auf einem gefetteten Dichtring. Der Lünetteneinsatz besteht nicht aus einer Folie, sondern aus einem verklebten und von unten mit Farbdruckversehenen Glaseinsatz. Die Kunststoffwerkhalterung war mit dem Gehäuse fest verbacken. (ob nun original oder durch Umwelteinflüsse kann ich nicht sagen) Die Aufzugswelle kann nicht mit einem vorhandenen Drücker oder Schraube gelöst werden. Hier gibt es eine Eigenkonstruktion des Herstellers bei diesem Kaliber. Das sehr starke Mineralglas hatte eine leichte Lupenfunktion und war mit einer Kunststoffdichtung eingeschweißt.
Dies aber nur zur Erklärung, warum man ggf. wenn man dieses Werkkaliber erstmals bearbeitet, etwas mehr Aufwand und Sorgfalt betreiben muss. Bei einer Wiederholung wird es dann etwas einfacher, auch dadurch das ich die extra gebaute Vorrichtung zum aufdrücken der Lünette noch habe.
Wie der Titel bereit sagt, geht es mir nicht um die Arbeit selber, die ich dann auch mit einem erfolgreichen Ergebnis zu Ende bringen konnte, sondern vielmehr darum wie Uhrmacher mit den Reparaturangeboten im Netz mit einer entsprechenden Anfrage umgehen?

Kennen sie die Besonderheiten um diese Uhr? Was schreiben sie? Was kostet es? Können sie übers Netz einen Preis nennen?

Ich habe mit 8 Uhrmacherbetrieben Kontakt aufgenommen, die ihre Dienste durch ihre Meisterwerkstatt anbieten. Ausgewählt habe ich nur Meisterbetriebe und Betriebe die angeben sich mit dieser Uhrenmarke auszukennen.
Als Reparaturanfrage habe ich mitgeteilt, dass an meiner AU auf dem Glas Kratzer sind und ich deshalb das Glas ausgetauscht haben möchte. Den Uhrenhersteller mit Referenznummer habe ich natürlich mitgeteilt.

Von den 8 Betrieben innerhalb Deutschlands haben dann 6 geantwortet. 2 haben sich nicht gemeldet, erinnert habe ich diese Betriebe dann nicht mehr, da ich als Kunde auch nicht mehr nachgehackt hätte.
Was mir von den verbliebenen 6 geschrieben wurde, kann ich nur als abenteuerlich bezeichnen. Keiner dürfte, trotz gewisser Hinweise von mir, die Situation erfasst haben?
Die mir genannten Preise lagen zwischen 30€ plus Porto bis 99€ plus Mwst. und Porto.
Die günstigen Anbieter, die teilweise auch nur auf ihre Preisliste verwiesen haben, dürften den Arbeitsaufwand nicht kennen!
Der teuerste Anbieter wollte zunächst kein Angebot machen, sondern forderte mich auf die Uhr zur Ansicht einzusenden. Nur für die Sichtung sollte ich in jedem Falle 24€ ohne spätere Verrechnung zahlen. Zähle ich mein Porto noch dazu, hätte ich ohne Reparatur schon fast 30€ gezahlt! Bei einem Werkfehler hätte ich dies einsehen können, nicht aber beim Austausch des Glases an einer noch neuwertigen Uhr mit Angabe der Referenznummer.
Auf meinem Einwand hin, dass ich nur einen "normalen" Glaswechsel an der Uhr benötige und eine kostenpflichtige Besichtung durch den Uhrmacher für mich keinen Sinn ergibt, teile mir der Uhrmacherbetrieb mit, dass es mehrere verschiedenen Ausführungen dieser Referenz geben würde und man sich die Variante erst einmal genau ansehen möchte. Diese Aussage war schlicht gelogen! Es gibt unter der Referenznummer nur eine Ausführung, diese allerdings in verschiedenen Zifferblatt- und Lünettenvarianten. Mit dem Glas hat dies nichts zu tun. Zu dem Thema hatte ich auch länger mit der deutschen Niederlassung des Herstellers Kontakt und die aktuelle Ersatzteilliste lag mir vor. Bei diesem namhaften Betrieb war ich neugierig und wollte gerne wissen, wie es weiter geht. Deshalb teile ich diesem Uhrmacher mit, dass ich schon mit dem Hersteller gesprochen hätte und dieser mir einen konzessionierten Uhrmacherbetrieb zur Reparatur empfohlen hätte. Vom Hersteller hätte ich bereits erfahren, dass es für alle Uhrenvarianten unter der genannten Referenz nur ein Glas gibt.
Darauf bekam ich dann das Angebot über 99€ für den Glastausch plus Mwst. und Porto 8€.
Der Hersteller hätte bei Einsendung der Uhr diese von einer Werkvertretung reparieren lassen für knapp 60€ incl. Versand.

Für mich war diese Erfahrung sehr lehrreich! Der Vorgang liegt schon einige Zeit zurück und ich habe überlegt, ob ich dies hier überhaupt posten soll.
Ich habe mich entschlossen, meine Erfahrungen hier einmal zu schildern. Natürlich alles ohne Bezug und Namensnennung zu nennen!

Gruß

Fridspeed

Halle

Zuerst mal ist es aus meiner Sicht unseriös einen KV zu machen, über eine Uhr die man nicht am Werktisch hat. Ferndiagnosen sind immer problematisch.
Selbst eine detaillierte Beschreibung mit Foto könnte mich allerhöchsten zu einer "Von - Bis" Aussage bewegen.
Dann kommt es auch darauf an, ob der Kunde ein meist teureres "original" Glas haben will, oder ein Glas vom Glas Hersteller, wo auch der Hersteller der Uhr in den meisten Fällen einkauft.
Da sind oft merkliche Preisunterschiede zu verzeichnen.
Trotzdem ein leichtes Armutszeugnis für die Anbieter, was mich bei einem Online Dienst aber nicht weiter verwundert.

Was mich noch interessiert, welche Marke war das, wo man die Lünette herunternehmen muss, um das Glas tauschen zu können? Und was hat es mit der Eigenkonstruktion zum Lösen der Stellwelle auf sich?

Gruß hermann

Natürlich kann man für ungeklärte Fehler nur einen Kostenvoranschlag machen, wenn man die Uhr sieht.
Hier hieß die Anfrage: Das Glas an meiner Seiko Referenz 007 ist verkratzt und muss erneuert werden. Was kostet das? Es waren nur Betriebe angeschrieben worden, die mit Reparaturen für den Hersteller auch Werbung machen. Das Glas gibt es in dieser Stärke und Ausführung nur vom Hersteller.
Vom Werk hatte ich Fotos gemacht, die ich nun leider nicht finde. Vermutlich in einen falschen Ordner abgelegt.
Im Anhang einen Werkausschnitt von einem der ersten Werkausführungen des Hersteller, dass nun aber mehrfach modifiziert worden zu sein scheint.
Wo ich nun die Uhr genauer kennen gelernt habe, würde ich beim zweiten Mal versuchen die Lünette drauf zu lassen. Die Lünette schließt fast bündig und plan mit dem Glas ab. Zum Aufsetzen des neuen Glases erschien es mir sinnvoll die Lünette abzunehmen. Dies wäre bei den meisten Drehlünetten kein Problem gewesen und der Aufwand kaum der Rede wert. Dass man diese Lünette nur mit Aufwand wieder aufgepresst bekommt, hätte ich vorher nicht vermutet.
Schließlich hat dieser Hersteller auch viele Uhren im Angebot, die nach den üblichen bekannten Normen gefertigt wurden.

Gruß

Fridspeed

Hallo,

vielen Dank für diesen Bericht.
Das war sehr lehrreich, interessant und entsprach auch meinen Erfahrungen. Die Werbung ist immer sehr großzügig...

Das eine Werkstatt die Uhr sehen möchte, kann ich immer dann nachvollziehen, wenn es Unklarheiten gibt. In deinem Fall war das aber nicht der Fall, zumal die Werkstätten ja mit dieser Marke werben.
Ansonsten verstehe ich es eher als seriös, wenn ein Firme die Uhr gern sehen möchte, bevor sie etwas sagt. Nicht seriös ist, den KV dann nicht anrechnenen zu wollen...

Gruß,
derTeichfloh

Hallo

Es gibt nur sehr sehr wenige Uhrenmodelle, wo man die Lünette für den Glastausch entfernen muss.
Seiko hat meines Wissens keines davon im Programm. Das würde auch der technischen Philosophie der Japaner widersprechen.

Gläser muss man nicht zwangsweise vom Markenhersteller beziehen. Die Fa. Sternkreuz z.B. bietet Gläser für fast alle Bereiche an. Dazu muss man auch wissen, das kein mir bekannter Uhrenhersteller seine Gläser selber macht.

Die Entfernung der Stellwelle erfolgt bei diesem Werk über den oben liegenden Winkelhebel. Eine durchaus übliche Konstruktion bei japanischen Werken. Absolut kein Geheimnis für einen Uhrmacher.



Trotzdem kann ich deinen Ärger nachvollziehen. Ich kann nur raten wenn irgend möglich, direkt mit dem Handwerker, und das gilt für alle Branchen, in Kontakt zu sein. Nur so kann ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden, das meiner Ansicht nach immens wichtig ist.

Gruß hermann

Was sagt die Werbung denn aus? Dass die die alle Modelle im Kopf haben oder über die entsprechenden technischen Unterlagen verfügen oder dass sie für die beworbenen Marken Teile bekommen und sie daher prinzipiell reparieren können?

Mich würde eher interessieren wie die Qualität der abgelieferten Arbeit ist und ob die angebotenen Preise inkl. Versand überhaupt attraktiv sind. Auch ob es bei den angebotenen Preisen bleibt oder ob das Geschäftsmodell anders funktioniert (wir mussten noch den Fluxkompensator tauschen, darum wird es teurer). Welches die schwarzen Schafe sind und wo anständig gearbeitet wird. Ein aussagekräftiger Vergleichstest, der nicht auf Einzelfällen, sondern einer repräsentativen Fallzahl beruht dürfte dafür aber leider kaum zustande kommen.

Nicht jeder hat einen richtigen und guten Uhrmacher um die Ecke, ich sehe schon den Markt.

Gruß
Norbert

@HermannH
Wäre an dem Werk ein Hebel gewesen, hätte ich den auch gesehen! Es handelte sich gegenüber diesem Werk um eine Modifizierung, die keinen Hebel mehr hat.
Wenn man weiß wie es geht, ist es kein Problem mehr. Die Tücke besteht aus der Schraube, mit der man die Flachfeder zwar löst aber leider auch noch weitere Teile. (Sekundenstopp etc.?) Die Flachfeder an passender Stelle in der Nähe der Welle mit dem Schraubendreher gedrückt halten und die Welle geht heraus ohne das sich sonstige Teile unter dem Zifferblatt lösen.

Dass ein Glas nur für eine Uhr hergestellt wird, habe ich öfter erlebt. Mit Ware von der Stange kommt man da nicht mehr weiter.

Aber geht es nicht mehr um den Glastausch selber, den ich bereits vor einiger Zeit erledigt habe!
@nobrett
Die Werbung sagte aus, dass man auf diese Marke spezialisiert wäre. Natürlich auch noch auf 15 andere.
Von dem Eindruck meiner Anfragen her, wird es bei der Wahrnehmung der Angebote vermutlich bei einigen Anbietern zu einem Fiasko werden.
Es wird hierauf (wir mussten noch den Fluxkompensator tauschen, darum wird es teurer) hinaus laufen.

Gruß

Fridspeed

Zitat von Fridspeed im Beitrag #7

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Es handelte sich gegenüber diesem Werk um eine Modifizierung, die keinen Hebel mehr hat.
Wenn man weiß wie es geht, ist es kein Problem mehr. Die Tücke besteht aus der Schraube, mit der man die Flachfeder zwar löst aber leider auch noch weitere Teile. (Sekundenstopp etc.?) Die Flachfeder an passender Stelle in der Nähe der Welle mit dem Schraubendreher gedrückt halten und die Welle geht heraus ohne das sich sonstige Teile unter dem Zifferblatt lösen.

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Hallo @Fridspeed

Ich habe bis jetzt einige 10.000 Armbanduhren auf meinem Werktisch gehabt.
Noch nie hatte ich ein Problem damit, eine Stellwelle zu lösen um das Werk auszuschalen - von ein paar Wegwerfwerken mal abgesehen.
Uhrmacher sind sehr findige Menschen, aber auch recht faul. Darum bringen sie den Winkelhebel so an, das sie nicht lange suchen müssen. Japanische Uhrmacher müssen besonders faul sein, da sie bei manchen Quarzuhren sogar einen Pfeil anbringen, damit sie den Winkelhebel noch schneller finden.
Ist es kein Wegwerfprodukt, dann MUSS es eine Vorrichtung zum lösen der Stellwelle geben. Und jeder Uhrmacher MUSS wissen wo er den finden kann.
Zugegeben, es hat in der Vergangenheit ein paar sonderliche Versuche gegeben, von den üblichen Konstruktionen (Schraube, Drücker, Hebel) abzuweichen, das waren aber wirklich nur Ausnahmen und haben sich nicht durchgesetzt.
Das Entfernen von Stellwellen ist kleines 1x1 für einen Uhrmacher und sollte keine Herausforderung darstellen.

Gruß hermann