Bei manchem Revisionsbericht denke ich: was hat der doch für ein Glück! Nichts kaputt, nichts Unersetzliches zu ersetzen, nichts zu reparieren, nur Saubermachen?
So ein Glückspilz bin ich leider nicht - die B-Uhren, die bei mir landen, sind immer Herausforderungen. Gebrochener Unruhzapfen ist das Mindeste...

Das bisherige Highlight traf vor kurzem ein, eine Präzisionsuhr als Opfer unfähiger Pfuscher, Spielzeug von Kleinkindern - wahrscheinlich beides.


Einige der Schäden und Reparaturen will ich hier nach und nach beschreiben.

Gefassten Stein ersetzen

Zum Einstieg fange ich mit einer kleineren Übung an.
Beim Zerstören der Unruhzapfen ging auch der untere Lochstein zu Bruch. Er ist gefasst in einem separaten Futter, was Reparaturen sehr erleichtert.


Der alte Stein wird ausgedrückt. Da er schon zerbrochen war, öffnet sich der Rand der Fassung sehr unregelmäßig. Nachfolgende Arbeiten erfolgen in der Spannzange der Drehbank: Steinreste entfernen, Fassungskragen gleichmäßig rund öffnen.


Der neue Unruh-Lagerstein wird in die Fassung gelegt und der Kragen mit einem polierten Stahl gleichmäßig über den Stein gedrückt.


Die neu bestückte Fassung kann ich nun wieder in die Grundplatte eindrücken.

Hallo Frank,

danke fürs Zeigen, und die interessanten Einblicke in die hohe Uhrmacherkunst.

Noch eine Frage habe ich:
Hast Du für solche Arbeiten ein Sortiment spezieller Fassungssteine, oder nimmst Du die heute üblichen Pressteine ?

Viele Grüße!

Matthias

Hallo Matthias,

ich habe Fassteine, sortiert als auch bunt gemischt. Hier habe ich einen Seitz Presstein genommen, ging wunderbar zu fassen.

Hallo Frank,

sehr interessant dein Werkstattbericht.
Ich freue mich auf die Fortsetzung.

Gruß

Frid

Zitat von Mahlekolben im Beitrag #5

---

Ich verfolge das hier auch gerne und wünsche viel Erfolg!

---

Nächste Baustelle, etwas aufwändiger

Unruhwelle ersetzen

Beide Unruhzapfen sind abgebrochen (...und sichtbar noch mehr).


Eigentlich wollte ich hier versuchen, neue Zapfen einzubohren. Aber nach Abnehmen der Spirale zeigt sich Schreckliches: Vernietung der Welle ist zerstört, die Welle mit Sekundenkleber eingeklebt! Drehen einer neuen Welle ist unvermeidbar.


Die Hebelscheibe hat ungewöhnlich viel Abstand vom Steg, aber der Abzieher entfernt sie leicht (mein bevorzugter Bradux ist hier nicht verwendbar).


Die Welle wird vermessen und die Daten für die neue Welle notiert. Danach entferne ich die alte Welle nach meiner Methode: Die untere Hälfte schleife ich weg, bis nur noch ein hauchdünner Rest des Tellers übrig ist...


... der dann beim Ausschlagen der Welle als Ring sauber abschert. Loch und Nietkante des Unruhstegs bleiben dabei völlig unversehrt.
Auf beiden Seiten des Stegs sind dunkle Klebstoffreste beim Loch zu sehen.


Es zeigt sich, dass auch der Steg verbogen ist! Anders als bei üblichen Unruhn ist hier der Steg weder mit oberem noch unterem Rand des Reifs bündig. Liegt die Unruh beim Aufdrücken von Hebelscheibe oder Spiralrolle auf flacher Unterlage, ist dieser Schaden unvermeidlich.


Die neue Welle drehe ich fliegend in der Spannzange aus vorgehärtetem Silberstahl. Die obere Hälfte ist fertig:


Beim Drehen der unteren Hälfte wird zur Sicherheit mit Gegenspitze gestützt und nach Einstechen "abgepflückt".


Die bis auf 2-5/100mm Übermaß vorgedrehten Zapfen werden fertig rolliert, die Länge der Welle endgültig geprüft und abgeglichen, Zapfenenden poliert.


Welle montiert, kurz vor dem Vernieten.


Rundlauf prüfen, Reifen richten in der Haltezange mit Messingbacken.


Hebelscheibe aufdrücken (auf passender Unterlage!)


Zum (vorläufigen) Abschluss Abwiegen der Unruh und statisches Auswuchten. Bei aufgeschnittenen Kompensationsunruhn ist wichtig, dass beide Reifenhälften rund laufen und die Einschnitte gleich breit sind, sonst Unwucht. Ein kleines Ungleichgewicht kann ich durch Umsetzen einer Gewichtsscheibe leicht beseitigen.
Auf der elektrischen Unruhwaage werden schon geringste Unwuchten sichtbar.


Leider ist die Spiralfeder noch völlig verzerrt, mal sehen ob ich die hinbekomme...

Danke fürs zeigen.

Immer wieder unglaublich, was man für Bastelarbeiten in alten Uhren vorfindet.

Was ist denn eine elektrische Unruhwaage?? Unruhwaage mit Vibrator?

Grüße
Norbert

Zitat von nobrett im Beitrag #10

---

Was ist denn eine elektrische Unruhwaage?? Unruhwaage mit Vibrator?

---

Danke fürs Mitnehmen. Leider ganz weit enfernt von den eigenen Arbeiten...

Bevor es mit der Unruh weiter geht, eine Zwischenfrage: Wie entfernt man Weichlot von Uhrenteilen?

Neben den Elektronikermitteln (Litze, Pumpe) kenne ich noch die Tips aus dem Rezeptbuch von Reutebuch (dem großen Fremdtexte-Verwerter).

Wer von Euch hatte das Problem auch schon und kann Tipps geben?

Es geht um diese Teile:
- Unruhstopp-Hebel
Statt eine neue Federklinge in der Bohrung des Pfostens zu verstiften, wurde ein Blumendraht aufgelötet, die Bohrung mit Weichlot verstopft!

- Kleinbodenrad (links "repariertes" Rad, rechts gutes Original)
Vermutlich sollte der lange Zapfen fürs Mitnehmerrad ersetzt werden. Ein (zu kurzer) Zapfen ist mit Lötzinn befestigt, Triebzähne mit Lot gefüllt, selbst das vergoldete Rad mit Lot bekleckert.

Hallo Frank,
ein recht gutes Hilfsmittel dafür ist ein Borstenpinsel. Einfach heiß machen bis das Zinn flüssig wird und dann immer schön vom Körper weg ab pinseln. Nur drauf achten das der Pinsel Naturborsten hat, synthetische schmelzen Dir sonst zu rasch weg.

lg Christian

Hallo Christian,
das war auch meine Idee (steht auch im Reutebuch).
Hältst Du das für gründlicher als Lötsauglitze? Da bleibt ja immer ein Film zurück.