Hallo in die Runde! Hier einmal eine Frage nicht nur an die gelernten Uhrmacher: Welche Pendellagerung / Pendelaufhängung ist nach dem derzeitigen Stand der Technik zu bevorzugen:
Das Thema Magnetlagerung klammere ich hier einstweilen aus, da zu kompliziert. Klassisch-bodenständigen Lösungen würde ich lieber den Vorzug geben...
Ferner: Welche Werkstoffkombination ist beim Schneidenlager statthaft, was würdet Ihr bevorzugen, wenn kein Achat verwendet werden soll.
Vielleicht habt Ihr praktische Erfahrungen und Beobachtungen aus der Reparaturpraxis?
Zweck: Ich möchte bei einer Hobby-Bastelei an einer Uhr die Pendelaufhängung modifizieren und verbessern, benötige vorab freilich eine fachkundige Orientierung durch Erfahrungen aus der Praxis.
Zwei Rückfragen, um Dein Ansinnen beser zu verstehen: - Warum erwähnst Du bei der Pendelfeder ausdrücklich den Isochronismusfehler, bei der Schneidenlagerung jedoch nicht? Selbstverständlich weist eine Schneidenlagerung ebenfalls den Kreisbogenfehler auf. - Warum schließt Du Achat von vornherein aus? Das Schleifen von Achaten ist kein Hexenwerk, habe auch ich autodidaktisch hinbekommen: Drei-Räder-Uhr, angelehnt an Harrison (6)
Hallo Moritz, ich wollte den Isochronismusfehler beim Schneidenlager nicht unterschlagen - vielleicht war die Frage dahingehend unglücklich formuliert. Bisher konnte ich jedoch keine zusammenfassende Gegenüberstellung über die Vor- u. Nachteile beider Lagerungen finden. Das Vorherrschen der Pendelfeder im Uhrenbau mag m.E. eher ökonomische Gründe haben (billiger zu bauen). Den Isochronismusfehler kann man sicherlich durch passende Auswahl der Federstärke beeinflussen. Hingegen findet sich das Schneidenlager vorrangig in PPU´s, wo Kosten keine Rolle spielen. Ist sie aber wirklich die geeignetere Lagerung im Sinne von Langzeitstabilität (Reibung, Materialermüdung, Kompensationsmöglichkeiten für den Isochronismus-Fehler usw.)?
Zur Werkstoffauswahl: im Zusammenhang mit Schneidenlagern wird Achat oft erwähnt. Aber was macht ihn dort so besonders im Vergleich zu z.B. Saphir, Hartmetall oder gehärtetem Stahl. Was ist das Geheimnis?
Danke für die Literaturempfehlung, ich habe mir gerade im ZVAB ein bezahlbares Exemplar davon bestellt. Vielleicht bringt das etwas Licht ins Dunkel...
Zitat von tictacsaystheclock im Beitrag #4Zur Werkstoffauswahl: im Zusammenhang mit Schneidenlagern wird Achat oft erwähnt. Aber was macht ihn dort so besonders im Vergleich zu z.B. Saphir, Hartmetall oder gehärtetem Stahl. Was ist das Geheimnis?
Ich kann nur vermuten: Hinreichend hart und widerstandsfähig, vergleichsweise preisgünstig, rel. unempfindlich gegen Risse und Dellen, aufgrund des mikrokristallinen Gefüges homogen und dicht, noch gut zu bearbeiten.
Zum Thema Stein / Achat: Die Härte von Achat wird mit 6,5-7 nach Moh angegeben. Achat ist ein Quarzderivat. Quarz selbst hat Härte 7. Ob z.B. Quarz ebensogut geeignet wäre, ist vermutlich eine Frage für die Mineralogen unter uns. Zumindest was die Bearbeitbarkeit angeht dürfte es da kaum Unterschiede geben. Interessant ist es vielleicht auch hier von der Kostenseite her. Eine Rubin- oder Saphirplatte dagegen dürfte in früherer Zeit (als noch keine synthetische Herstellung existierte) unerschwinglich gewesen sein. Saphir als Spielart des Rubins ist heute als Saphirglas eher Allgemeingut und Massenware. Saphir ist mit Moh 9 deutlich härter und müßte sich mit Diamantwerkzeugen bearbeiten lassen.
Andere Werkstoffpaarungen: Als völlige "Billigalternative" für erste Versuche hatte ich mal über Teppichbodenmesser nachgedacht (kein Witz). Die Abbrechklingen haben eine sehr saubere vorgeprägte Sollbruchstelle ("Rinne"), in der das Pendelmesser seitlich geführt werden könnte. Stoffpaarung Stahl/Stahl, beides gehärtet. Ob sowas funktioniert?
Zitat von tictacsaystheclock im Beitrag #4Hallo Moritz, ich wollte den Isochronismusfehler beim Schneidenlager nicht unterschlagen - vielleicht war die Frage dahingehend unglücklich formuliert. ... Den Isochronismusfehler kann man sicherlich durch passende Auswahl der Federstärke beeinflussen.
Ah, jetzt verstehe ich Deine Frage nach dem Isochronismusfehler. Also ich bin ja der Meinung, daß eine Pendelfeder den Fehler (minimal) kompensieren kann. Meine Theorie ist die: Die Pendelfeder ist ja auch selbst ein Energiespeicher und bremst den Pendelausschlag minimal, so daß das Pendel bei größerem Ausschlag leicht beschleunigt wird. Außerdem dürfte durch die Biegung der Pendelfeder das Pendel nicht auf einer reinen Kreisbahn schwingen, sondern eher minimal in Richtung einer Parabel (oder Zykloide?) tendieren. Das sollte wiederum eine gewisse Annäherung an das Huygenssche Zykloidenpendel ergeben. Ich weiß nicht, wie sehr sich das alles auf den Gang der Uhr auswirkt, vielleicht kann man das alles auch vernachlässigen. Da ich keine PPU besitze und mich mit Gangabweichungen bis ±½ Minute pro Woche zufrieden gebe, will ich mich auch nicht zu sehr mit diesem Thema befassen und dazu diverse Literatur wälzen.
Probier's aus. Falls es nicht klappt, steht unter diesem Link, wie man's richtig macht.
Zur ursprünglichen Frage: Die Schneidenlagerung mag bei oszillierenden Bauteilen (insbes. Anker mit Gabel) gegenüber einer Zapfenlagerung den Vorteil geringerer Reibung haben. Was bei einer Grahamhemmung aber auch schon egal ist, weil dies gegenüber dem Einfluss der Ruhereibung der Paletten, die einen zigfach größeren Wirkradius hat, ziemlich vernachlässigbar sein dürfte. Beim Pendel selbst sehe ich erst recht keine Vorteile gegenüber einer Feder, die mehr Möglichkeiten bietet, den Kreisbogeneinfluss (um nicht immer Fehler zu sagen) zu gestalten.
Der link ist super - Rezepte a la "man nehme" sind für die Praxis immer inspirierend!
Erkenntnis: Stahl auf Stahl ist also durchaus verwendet worden. Wie würdest Du den Kreisbogeneinfluss bei einer Schneidenlagerung eigentlich kompensieren?
Scherenhemmung, Rost-Kompensationspendel (echt, keines dieser Fake-Rostpendel), Zentralsekunde (selten), Viertelstundenschlag auf 2 Glocken (ebenfalls eher selten) und natürlich die Schneidenaufhängung des Pendels.
Danke für die sehr detailreichen Bilder! das ist offenbar mechanisch nicht so sehr schwer nachzubauen. Das Bruchbild an dem Schneidenkörper (Ecke unten links) zeigt, dass es sich um gehärteten Stahl handeln muß. Hat die Uhr ein auffälliges Gangverhalten?
Ich hätte hier auch noch drei Beispiele von Schneidenaufhängungen: IMG_0330.JPG - Bild entfernt (keine Rechte) 20230711_180405.jpg - Bild entfernt (keine Rechte) 20230707_105614.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Die mittlere davon ist eigentlich nur suboptimal weil die Lagerpfanne nach oben zeigt. So sammelt sich eventuell Schmutz darin an.
Zitat von tictacsaystheclock im Beitrag #12offenbar mechanisch nicht so sehr schwer nachzubauen
Na ja, täusche dich da nicht. Das muss mechanisch schon sehr sauber gefertigt werden, sonst ist es schlechter als eine Blattfeder. Schneide und Auflage müssen schon eine gewisse Länge haben, um die Last des Pendels auszuhalten und an allen Stellen gleich tragen, sonst kommt es bei schwerem Pendel örtlich zu Verformungen und erhöhter Abnutzung. Erschütterungen können auch die Last auf der Schneide kurzzeitig vervielfachen. Ich glaube, sie hat sich auch bei Präzisionsuhren nicht so durchgesetzt. Wirkt allerdings immer sehr professionell.
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09.07.2023 23:48
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das ist offenbar mechanisch nicht so sehr schwer nachzubauen. Das Bruchbild an dem Schneidenkörper (Ecke unten links) zeigt, dass es sich um gehärteten Stahl handeln muß. Hat die Uhr ein auffälliges Gangverhalten?
