Hallo zusammen,

ich möchte euch ein kleines update zum Stand des Baus meiner Sekundenpendeluhr nach dem Vorbild der "Furtwangener Schuluhr" geben. In einen der letzten Beschreibungen von mir habe ich die Anfertigung der Pendellinse beschrieben. Der Selbstbau ist jetzt so weit, dass er seit 5 Wochen ohne Unterbrechung läuft.
Es gibt noch einige zu tun, so muss ich noch das Zifferblatt, die Zeiger herstellen, das Zeigerwerk montieren und die Umlenkung fürs Gewicht (fürs Uhren-Gehäuse) anfertigen.
Momentan ist in meinem Arbeitszimmer eine 3cm dicke Siebdruckplatte mit Abstand zur Wand befestigt, an der wiederum der Werkträger angebracht ist.



Hier der Werkträger mit Pendelbock.



Der Pendelbock ist mit seitlichen Schrauben ausgestattet, welche an der Stirnseite eine Eindrehung haben und beim Einschrauben die Pendelfeder nach unten in das Prisma drücken.
Besonders aufwändig war für mich die Anfertigung der Rändelschrauben, da die Rändelung sich weigerte so auszusehen wie ich es mir vorstellte. Aber nach einigen "Übungsschrauben" ging es doch glatt über die Bühne.



Die Oberfläche wurde nach dem Rändeln von Hand mittels Ziegenhaar-bürste und Wachspolidur ein wenig geglänzt.
Nachdem die restlichen Einzelteile zum Pendel angefertigt waren, konnte nun auch endlich dieses Montiert und grob vorjustiert und mit der Pendelfeder in den Pendelbock gehängt werden.



Die Pendellinse wird am Ende wie auch das Messing-Kompensationsrohr noch vernickelt, vorerst reicht es mir so. als Pendelstab habe ich einen originalen Invar-Stab aus der Uhrmacherschule Furtwangen, aus dem Jahr 1978 erhalten. Diese Stäbe wurden damals über die Schule bei der Fa. Imphy in Frankreich bezogen. Mit dabei war das bereits aufgeschnittene Flachgewinde M10x0,75. Es mussten nur noch die Nute, die Aufnahme für die Pendelfeder und eine Bohrung angefertigt werden.



Durch einen weiteren glücklichen Zufall bin ich auch an die originalen Pendelmuttern mit passenden Flachgewinde und bereits ausgeführter Gravierung gekommen. Damit habe ich mir natürlich einiges an Arbeit erspart.



Hier das auf den Werkträger geschobene Uhrwerk. Die Gewichtshülse ist eine zugekaufte von Fa. Boley und hatte ursprünglich ein Gesamtgewicht von 1.500g. Da mir das zu viel erschien, habe ich die Bleihülse in drei etwa gleichgroße Teile zersägt.
Aktuell läuft die Uhr seit fast 3 Wochen mit einem Gewicht von 540g an der Umlenkrolle und mit einem Pendelausschlag von 45 Bogenminute pro Seite. Die Uhr würde auch mit noch etwas weniger Gewicht (-80g) laufen, jedoch reagiert sie dann äußerst empfindlich auf äußere Einflüsse.
Wenn ich mehr Gewicht auflege (auf 1000g an der Umlenkrolle) dann steigert sich die Amplitude auf 65 Bogenminuten.

Als eines der nächsten Arbeiten werde ich die Ersatzfeder mit einer geringeren Dicke versehen (auf 0,1mm verringern) und auch die Pendellänge optimieren. Dazu habe ich mir einen Microset Timer mit Gabellichtschranke ausgeliehen und die Grobregulierung vorzunehmen.

An dieser Uhr arbeite ich seit gut zwei Jahren und nicht immer hat die Anfertigung auf Anhieb geklappt. So wollte ich abweichend vom Original, eine Impulsanregung des Pendels nach Breguet anfertigen. Die habe ich gemalt und auch gebaut, dann aber bei der Montage festgestellt (leider erst dann) dass die beiden mühsam angefertigten Pendelbock-Schrauben im Weg stehen. Somit habe ich um die Uhr endlich einmal zum Laufen zu bringen mir eine ausgebaute Pendelanregung von Strasser und Rohde übergangsweise eingebaut.
Hier ein paar Bilder der nicht mehr benötigten Anlenkung nach Breguet.









Die Gewindegröße der Schraube beträgt M1,2mm, das Rändelrad zum Herstellen des Rändels ist selbst angefertigt. Man sieht auf den Bildern, dass die Verbindung Gewinde und Schraubenkopf noch verbesserungswürdig ist.

Mich würde interessieren welches Gewicht üblicherweise an Sekundenpendeluhren (Wochenläufer) angebracht werden und welche Amplitude sie normalerweise haben? Dann auch welchen Einfluss hat der Übergriff des Ankers auf die Amplitude? Bei mir ist ein Graham-Anker mit einem Übergriff von 11 1/2 Zähnen eingebaut, die Paletten bestehen aus gehärteten Stahl.

Über eine Antwort, Meinung oder eine Idee dazu würde ich mich sehr freuen. Welchen Einfluss hat eurer Meinung nach die Position des Knickpunktes der Pendelfeder? In der Literatur finde ich dazu Angaben welche von Ersten Drittel von der oberen Klemmbacke sprechen, andere Stellen schreiben von 0,3mm unterhalb der oberen Klemmbacke, in einen Bereich bis 0,13mm Federstärke. Wie sind eure Erfahrungen damit?

Viele Grüße,
Dieter
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Wow!

Lieber Dieter,

allein die matten Oberflächen und die sauberen Kanten beeindrucken mich. Deine Uhr sieht aus, wie eine Schuluhr aussehen sollte.

Die Rändelschrauben sind toll gelungen, mit rundem Rändel!

Mit der Ankopplung des Pendels komme ich nicht klar. Am Pendel befindet sich ein seitlicher Stab mit Schraube, am Ankerhebel ein verstellbar "Pilz". Dazwischen ist nichts. Wie kann die Uhr so laufen?

Meiner Meinung nach hat der Übergriff selbst nichts mit der Pendelamplitude zu tun. Die dürfte von der Geometrie der Paletten (Hebewinkel) und der Antriebskraft abhängen.
Gern erfahre ich dazu einen Kommentar eines Profis.

Für eine Sekundenpendeluhr ist der Ankerübergrif bei Dir recht groß. In "Anfertigung einer guten Sekundenpendeluhr" empfiehlt M. Grossmann 6 1/2, höchstens 7 1/2 Zähne Übergriff.

Bei größerem Übergriff wird der Paletten-Hub größer. Das führt dazu, dass bei gleichem Hebewinkel der Neigungswinkel der Hebefläche immer mehr von 90° abweicht und die Länge der Hebefläche zunimmt.
Das wiederum verringert den Wirkungsgrad der Hemmung. Dazu gibt es im angehängten Artikel ab Seite 8 Erklärungen, allerdings in Englisch.

LG
Roland

Zum "Knickpunkt" der Pendelfeder ist mir noch etwas eingefallen.
Die virtuelle Drehachse des Pendels liegt tatsächlich etwa 1/3 der Federlänge unterhalb der festen Einspannung, also unterhalb der oberen Spannbacke.
Bei einer Federkrafthemmung befindet sich die feste Einspannung der Antriebsfeder auf der Pendelseite der Feder, also unten. Der Biegepunkt dieser Antriebsfeder liegt demzufolge 1/3 der Federlänge über der unteren Einspannung.

Roland

Lieber Dieter!
Wirklich sehr beeindruckend, Deine tolle Sekundenpendeluhr.Hochinteressant finde ich die toll ausgeführte und sehr schön gearbeitete Pendelanregung.
Vielen Dank auch nochmals für das nette und interessante Gespräch gestern.
Viel Erfolg beim weiterbauen an dieser tollenPräzissionspendeluhr wünscht Dir
herzlichst
Mario

Sieht alles schön aus ! Glückwunsch Dieter !
Wie Roland geschrieben hat ,, gibt es eigentlich nichts zuzufügen.
Das einzigste was mir noch auffiel ist der sehr lange Kompensation-Rohr . Und die Pendel-Anregung Foto fehlt mit der die Uhr läuft .
Knoblich ließ seine Uhren mit 450gr. Laufgewicht die Woche laufen , da weiß ich aber nicht mit welcher Amplitude und bei welchen Pendelgewicht . Riefler und Strasser ließen ihre Uhren mit 1400 bis 1800 Gram die Woche laufen , je nach Hemmung und Schwungweite.
Grüße,
Alexander

Mit dem Antrieb . Ich nehme an das Du Dieter den Ankerarm nach unten / spiegelverkehrt gelegt hast und den Antriebsstift auf andere Seite gesetzt hast ?

Sehr beindruckend!

Hallo zusammen,

erst einmal herzlichen Dank für die positiven Bemerkungen zu Uhr. Dann habe ich euch wahrscheinlich verwirrt mit den letzten beiden Bildern mit der Pendelanregung. Die Bilder sind nur deshalb mit angeführt um zu zeigen, dass man sehr schnell sehr falsch liegen kann. So wie die Breguet-Anregung auf den Bildern ist funktioniert die Sache nicht. Damit sie funktioniert müssen die beiden Schrauben am Pendelbock weg und die Einstellschraube welche von unten von der Pendelfeder kommt so weit nach oben gedreht werden, dass die Spitze mit den Pilz (vom Hebel) in Berührung kommt. Das Funktioniert aus zwei Gründen bei meiner Ausführung nicht, zum einen ist die Schraube zu kurz als dass sie mit dem Pilz in Berührung kommen kann, zum anderen müssen dazu die beiden seitlichen Halteschrauben am Pendelbock weg, was ich nicht möchte. Wenn jemand die Teile, welche grundsätzlich funktionieren haben möchte, soll er sich melden dann kann er sie geschenkt haben. Im Pilz ist ein weißer Saphir eingelackt und in der Schraube eine geschliffene Edelstahlkugel.

Alexander,
die Anlenkung so wie sie jetzt ausgeführt ist damit die Uhr läuft, ist eine klassische Pendelanlenkung nach Strasser und Rohde, sogar ein originalteil, dass ich mir übergangsweise ausgeliehen habe. Das Federblech ist auf den Pendel montiert und der Abfall kann mittels Schraube eingestellt werden.
Laut Zeichnung für das Nickelstahlpendel beträgt die komplette Länge von Messing-und Stahl-Kompensationsrohr über 110mm was ich übernommen habe, zumal ich ja einen originalen Pendelstab von damals habe. Die Gangergebnisse der Schuluhren waren sehr ordentlich.
Sobald jetzt auch das Pendel einigermaßen eingestellt ist, (bisher läuft es gut 2 Minute am Tag davon) werde ich ein wenig mit dem Gewicht experimentieren. Wobei wenn ich es recht überlege ist von der Theorie her eine kleine Amplitude besser als eine Große.

Danke nochmal für die Antworten,
Dieter

Hallo Dieter ,
Danke für die Beschreibung.
kleinere Amplitude ist vorteilhaft ; leichteres Laufgewicht , weniger Verschleiß , zarte Räder .
größere Amplitude ist auch vorteilhaft ; die Luftschwere Veränderung wirkt eventuell weniger auf die Konstante des Schwunges .
Ich nehme an das der Hebewinkel an den Paletten Deiner Uhr 1Grad ist , Du kannst viel mit dem Laufgewicht experimentieren , jedoch wird auch viel Energie verloren gehen in den Ruhefasen . Sollte das Ergebnis Deiner Forschung so auslaufen das etwas größere Amplitude Vorteil bringt - kannst Du den Hebewinkel anpassen .
LG
Alexander

Hallo zusammen,

nachdem meine Uhr seit einigen Wochen läuft, habe ich in der Zwischenzeit am Zeigerwerk gearbeitet. Das Zeigerwerk ist als "Geradeaus-Kette" von Hr. Merkel konstruiert worden und genauso von mir nachgebaut. Das Stundenrad hat 144 Zähne bei einem Modul von 0,55, das Viertelrohr damit 12 Zähne. Das Übertragungsrad wurde mit 72 Zähnen angefertigt. Nach den Schenkeln der Räder wurden diese wieder verzahnt und nachdem die Ecken freigefeilt worden waren und das Finish aufgebracht war konnten die Büchsen eingepresst werden.


Uhrwerk mit montierten Zeigerwerk

In der Zwischenzeit zeigen sich etliche Fingerabdrücke an den geschliffenen Flächen, ich gehe aber davon aus, dass es noch nicht die letzten sind die entstehen, da es doch immer wieder etwas zum Ändern bzw. zum Probieren gibt.


Alle drei Räder/Triebe kämmen miteinander

Die Räder wurden wie schon einmal erwähnt mit Fräsern von der Fa. Thornton gefertigt. Wenn Rad in Rad kämmt, sollten die Zähne um einen kleinen Betrag schmäler sein. Das habe ich bei der Anfertigung vergessen, weshalb ich den tatsächlichen Achsabstand der beiden Räder erst ermitteln musste. Dazu habe ich, weil kein Eingriffszirkel vorhanden etwas improvisiert. Dazu wurde eine Alu-Platte im Schraubstock gespannt und auf einer willkürlichen Position eine Bohrung mit 6H7 gesetzt. Beide Achsen, X + Y wurden abgenullt. In die Bohrung wurde ein im Durchmesser passender Bolzen gesetzt, welcher danach das Stundenrad mit geringen Spiel aufnehmen konnte. In das Bohrfutter wurde eine 2mm Silberstahlwelle eingespannt welches das Übertragungsrad aufnahm. Jetzt konnte durch kurbeln am X-Schlitten das Laufspiel zwischen den beiden Rädern eingestellt werden und an der Digitalanzeige der Achsabstand genau abgelesen werden.


Das Kämmen der Räder kann so sehr feinfühlig eingestellt und getestet werden


Der theoretische und der tatsächliche Achsabstand unterscheiden sich 0,45mm

Am CAD wurden danach die Achsabstands-Kreise aufgetragen und am Schnittpunkt derselben die Koordinaten für die Achse des Übertragungsrad ausgelesen. Danach wurde die Vorderplatine auf der Fräsmaschine ausgerichtet und die Position angefahren und entsprechend gebohrt.
Und weil früher die Uhrmacher keine CAD hatten, habe ich im Nachgang für mich die Winkelberechnet und die Werte als Koordinaten umgerechnet. Zum meiner Freude stimmten die Werte des CAD :-)

Da das Werk schon vom Träger entfert war, konnte ich auch gleich die original Pendelanregung welche ich in der Zwischenzeit auch angefertigt habe montieren. Sie ist im Vergleich zur ausgeliehen Strasser und Rohde-Anregung deutlich filigraner.


Unschön war die Fertigung des Biegeteils, eine der Arbeiten für die ich mich nicht begeistere


Komplette Einheit bereit zum Einbau


Rändelmutter eigener Fertigung

Als nächstes werde ich die Zeiger anfertigen und darüber erzählen.

Gruß,
Dieter

Hallo Dieter,
ganz toller Beitrag!
Vielen lieben Dank dafür, ich freue mich schon mächtig auf den nächsten Teil.

lg Christian

Hallo Dieter!
Wirklich sehr schön, Deine Sekundenpendeluhr .Toll auch die Fortschritte mit dem Zeigerwerk.Falls du noch irgendwelche Abmessungen von meinem Regulator brauchst kannst du dich gerne melden.Zum Vorstellen meines Regulators im Forum hatte ich leider immer noch keine Zeit, werde dies aber bald nachholen.
Beste Grüße
Mario

Mario, eine Furtwangener Schuluhr, sowas fehlt noch in deiner Sammlung! Sehr beeindruckende Arbeit, meine Hochachtung!

Vielen Dank für diesen schönen und motivierenden Thread

LG Pascal