Hallo!

Nachdem ich meine RFT-Hauptuhr eine Weile mit einem wohl der Uhr zeitgenössischen Netzteil betrieben hatte, musste eine Lösung her:
Das alte Netzteil brummte recht laut und setzte im Leerlauf schlappe 32W in Wärme um. Das war mir für zwei Sekunden Aufzugmagnet pro Minute betätigen zuviel. :o)

Eine Warnung für das nun Folgende:

Ich beschreibe den Aufbau eines Netzteiles für den Betrieb an 230V, 50Hz Wechselstrom. Wer einen Nachbau wagt, ohne die notwendigen Kenntnisse und Qualifikationen (z.B. elektrotechnische Ausbildung, Elektrofachkraft) zu besitzen bringt sich und schlimmstenfalls auch seine Mitmenschen in Gefahr (z.B. durch Brand). Nachbau also auf eigene Gefahr! Wer sich unsicher ist, lässt bitte die Finger davon!

Nun zum Netzteil:

Mein Ziel war es, ein sparsames Netzteil für die im Privathaushalt eher unübliche Spannung von 60V Gleichspannung zu bauen.

Dabei waren für mich die folgenden Anforderungen gegeben:
- intermittierender Betrieb: 58 Sekunden ohne Belastung, dann in zwei aufeinander folgenden Sekunden eine Belastung mit <1s Dauer
- für den Betrieb des Aufzugs von RFT- und Siemens-Hauptuhren ist entscheidend, dass der Anzugsmagnet des Aufzugs bei Betätigung vollständig anzieht. Die Dauer ist nicht entscheidend, vielmehr, sie kann nicht länger als ca 0,6s sein.
- während der unbelasteten Betriebsphase soll das Netzteil möglichst wenig Energie verbrauchen.
- das Netzteil soll unauffällig sein (möglichst geringe Wärmeabgabe, möglichst geringe Geräuschentwicklung, kleine Abmessungen)
- Aufbau mit leicht zu beschaffenden Bauteilen

Der letzte Punkt ist nicht zu unterschätzen, denn "einfach" einen 60V-Trafo (naja, eher ein 42V-Trafo) plus Brückengleichrichter zu nehmen, fällt allein aufgrund der schlechten Beschaffbarkeit für Endkunden -ganz abgesehen vom Preis- schonmal flach.
Daher schaute ich nach einer einfachen Methode zur Spannungsverdopplung und kam auf die Delon-Schaltung. Wer diese Brückenschaltung zur Spannungsverdopplung nicht kennt, schaut entweder in seinem PC-Netzteil oder bei Wikipedia nach:
Wikipedia - Delon-Schaltung

Vorteil: Mit der Spannungsverdopplung kommen Standard-Trafos mit um die 20V ins Rennen..

Jetzt zur Auslegung: Die ist dank sinusförmiger Eingangs-Spannung recht einfach. Wikipedia sagt uns im oben verlinkten Artikel ja, dass die Ausgangsspannung gleich der doppelten Scheitelspannung des Trafos minus zwei Diodenspannungen beträgt. Damit kann das Rechnen dann beginnen:

Wenn man nach Lehrbuch die Durchlassspannung (also die genannte Diodenspannung) mit 0,7V ansetzt und für die Umrechnung des Effektivwerts zum Scheitelwert der sinusförmigen Trafo-Spannung als Scheitelfaktor die Wurzel von zwei verwendet, so erhält man rechnerisch für eine Ausgangsspannung von 60V eine Trafo-Spannung (Efektivwert) von 21.7V.

Mit dieser Spannung von 21.7V kann man jetzt auf die Suche nach einem passenden Trafo gehen.
Dabei gibt es eins zu bedenken:
Die Last, mit der das Netzteil betrieben werden soll, spielt eine wichtige Rolle: Als Last haben wir eigentlich:

- Nichts!

Der intermittierende Betrieb erlaubt es, das Netzteil auf den Leerlauf auszulegen, weil das Netzteil eben keine Dauerströme liefern soll. Das hat eine Konsequenz: Bei der Suche nach dem passenden Trafo ist die Leerlaufspannung die entscheidende Spannung. Die Hersteller (und Verkäufer in ihren Katalogen) geben aber die Nennspannung an, d.h. die Spannung unter Nennbelastung oder einer definierten Teilbelastung (hängt vom Transformatortyp ab..). Die Leerlaufspannung findet man daher im zugehörigen Datenblatt entweder direkt oder als Leerlauf-Faktor, der dann größer als eins ist.

Aber noch eins ergibt sich aus den Anforderungen von oben: Da das Netzteil einmal pro Minute mit zwei kurzen Belastungen von ca. 0,5s und einer ebenso langen Pause dazwischen zurechtkommen muss, heißt das: Die Ausgangsspannung darf zwar kurzzeitig einbrechen (solange der Aufzugsmagnet anziehen kann und dies auch vollständig tut), muss aber für die zweite pulsförmige Belastung schon wieder anstehen.
Diese Anforderung betrifft die Leistungsfähigkeit und die Effizienz des Trafos:
- Die maximale Leistungsabgabe, einhergehend mit dem maximalen Strom und
- die "Härte" des Trafos, also, wie stark die Ausgangsspannung bei zunehmender Belastung absinkt.

"Harte" Transormatoren haben bei Nennbelastung nur einen geringen Spannungseinbruch gegenüber dem Leerlauf. "Weiche" Transformatoren haben einen größeren oder sehr großen Spannungseinbruch im Belastungsfall (z.B. Schweißtrafos: Die sind für den Kurzschlussfall ausgelegt..). "Weichere" Trafos sind daher eher kurzschlussfest als härtere Trafos.

Also, was soll das mit hart und weich? Die Spannungsverdopplung mit der Delon-Schaltung beruht darauf, dass die eine Halbwelle den einen von zwei in Reihe geschalteten Kondensatoren auflädt und die andere Halbwelle den anderen der beiden in Reihe geschalteten Kondensatoren. Am Ausgang wird die Spannung der beiden in Reihe geschalteten Kondensatoren abgenommen, die dadurch verdoppelt ist.

Wenn nun der erste Belastungsimpuls die Kondensatoren "leergelutscht" hat, so muss der Trafo die Ausgangsspannung durch Aufladen wieder herstellen. Dies geschieht in der realen Welt nicht unendlich schnell, sondern braucht Zeit. Dazu gibts bei Wikipedia praktischerweise auch wieder den passenden Artikel zum Kondensator-Ladevorgang. In den beschreibenden Gleichungen und den dort gezeigten Strom-/Zeit- und Spannungs-/Zeit-Diagrammen ist zu erkennen, dass Strom und Spannung am Kondensator -anders als beim ohmschen Widerstand- nicht proportional voneinander abhängen, sondern über die Eulersche Funktion beschrieben werden. Das macht das ganze etwas schwierig zu verstehen. Der Punkt ist jedoch: Ein weicher Trafo kann zwar einen hohen Strom liefern, dabei ist jedoch die Spannung recht gering. Mann könnte sagen, der weiche Trafo hat einen hohen Innenwiderstand. Das stimmt zwar nicht so ganz, weil dieses Verhalten durch den Aufbau des Trafokerns wesentlich mitbestimmt wird, aber das machts einfacher zu verstehen.

Wenn wir in die Formel für den Ladevorgang schauen, dann entdecken wir als Exponent der Eulerschen e-Funktion ein 1/R*C. Der in diesem "Zeitkonstante" genannten Ausdruck enthaltene Wiederstand R ist der strombegrenzende Widerstand in Reihe zum aufzuladenden Kondensator. Wenn -wie bei bei der Delon-Schaltung- der einzige Widerstand der "Innenwiderstand" des Trafos ist, so muss also dieser Widerstand möglichst klein werden, damit die Kondensatoren der Delon-Schaltung schnell wieder aufgeladen werden. Für den Trafo bedeutet dies: Wir suchen einen "harten" Trafo.
Und -jetzt schließt sich der Kreis- ein harter Trafo ist gut zu erkennen an einem kleinen Leerlauffaktor nahe eins!

Meine Wahl fiel auf einen Ringkerntrafo mit 25VA, 2x9V Nennspannung, 2x10,7V Leerlaufspannung (Leerlaufspannungsfaktor 1,189), 1,37A Nennstrom und einer Leerlaufleistungsaufnahme von nur 1,15VA.

Für die Delon-Schaltung brauchen wir noch zwei Dioden -da habe ich eine Allerweltstype (Silizium) gewählt, allerdings eine Leistungsdiode, die 8A (und kurzzeitig mehr) aushält.
Die Kondensatoren sind Elektrolytkondensatoren mit je 1000µF und 63V Spannungsfestigkeit. Da die Kondensatoren in Reihe geschaltet sind, müssen Sie nur maximal 30V aushalten und knallen nicht gleich durch, falls die Schaltung durch einen Bauteildefekt mal 60V an einen einzelnen Elko legt -wobei: dafür bräuchte es schon zwei zueinander passende Ausfälle gleichzeitig..

Der Schaltplan:
60V-Netzteil.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

T1 ist ein Ringkerntrafo der Firma Talema, 25VA, primär: 2x115V, sekundär: 2x9V, 1,37A
D1 und D2 sind jeweils Dioden des Typs BYW 29-200, 200V, 8A
C1 bis C10 sind jeweils Elkos 1000µF/63V
Die Sicherung F1 ist gemäß Datenblatt des Trafos eine 0,16A-Sicherung, mittelträge.
Die Sicherung F2 ist eine Sicherung 0,250A, mittelträge.

Das Netzteil schafft die 60V nicht ganz.
Rechnerisch sollte es ca. 59,1V liefern. Tatsächlich liefert es "nur" 57,7V. Keine Angst, ich habe die zwei Diodenspannungen bei der Berechnung schon berücksichtigt. Aber erstens habe ich kein kalibriertes Messgerät und zweites setzen die Berechnungen ideale Verhältnisse voraus. Die Realität sieht halt immer ein wenig anders aus. :o)
Die knapp 58V reichen aber völlig aus. Genauso brennt der Aufzugsmagnet bei 65V nicht durch oder beschädigt den Mechanismus..

Das ganze hat mich (alle Teile neu beschafft) inklusive Gehäuse, Anschlusskabel, 4mm-Buchsen und Stecker ca. 45EUR gekostet. Wer Sicherungshalter, eine Lochraster-Platine und/oder ein Gehäuse in seinem Fundus hat, kommt günstiger weg. Der größte Einzelposten war der Trafo mit 17,80EUR. Dioden und Elkos kosten weniger als fünf Euro.

Das Netzteil ist ein wenig überdimensioniert: Ich hätte einen kleineren Trafo nehmen können (15VA, 2x9V) und weniger Kondensatoren. Auch die Dioden sind einfach überdimensioniert.
Dafür habe ich meine Gründe:
1. Ich habe hier zwar alles schön hergeleitet, so wie ich das auch vor der Beschaffung des Trafos gemacht habe: Die Anzahl der Elkos habe ich aber einfach "nach Bauchgefühl" großzügig gewählt; ich will ja auch mal noch ein, zwei Tochteruhren betreiben können. :o)
2. Ich war mir keineswegs sicher, ob das alles -wie in der Theorie berechnet- für den Aufzug ausreicht. Daher habe ich lieber ein wenig zu groß eingekauft als einmal umsonst zu wenig.

Mein Fazit ist jedenfalls, dass das Netzteil einfach und unauffällig seinen Dienst verrichtet. Meine RFT-Hauptuhr zieht einmal pro Minute schön auf und auch das Aufholen von 12 Stunden klappt ohne Erwärmung einwandfrei -da sind also genug Reserven vorhanden.

Der Leerlauf-Verbrauch liegt erfreulicherweise bei weniger als einem Watt. Gemessen habe ich das mit einem Gerät von ELV, dem die c't bescheinigt hat, praktisch so gut zu messen wie ein einige tausend Euro teures Laborgerät. -Dem schenke ich also Glauben.

Den Verbrauch während des Aufzugs kann ich mit dem ELV-Gerät nicht zuverlässig ermitteln, da diese Last nur für den Teil einer Sekunde angeschaltet wird. Das ELV-Messgerät mittelt -schwankend- einen Wert von ca. 3W, der Momentanwert müsste jedoch bei 10 bis 11W liegen.

Da die Frage nach einem 60V-Netzteil schon einmal bestand, hoffe ich, dass diese Beschreibung eine Anregung bietet und nützlich ist.

Wenn Interesse besteht, kann ich noch Fotos machen und einstellen.

Hallo Jens,
ganz tolle Beschreibung und perfekte Umsetzung. Super!

Dankeschön!
Christian

Hallo Jens,

Danke für die Beschreibung - und für die dazugehörigen Erklärungen. Die sind hier besonders wichtig.
Es ist schön, wieder einmal zu erleben, dass man auch "etwas" selbst bauen kann und nicht "von der Stange" kaufen muß - auch wenn das oft einfacher und manchmal billiger ist. Ich habe früher sogar die Trafos selbst gewickelt, um gute Ergebnisse zu erreichen - und da war der Strompreis noch um einiges billiger als heute...

mfg
derTeichfloh

Zitat von Teichfloh im Beitrag #3

---

... Ich habe früher sogar die Trafos selbst gewickelt, um gute Ergebnisse zu erreichen ....

---

Dass ich da ned früher drauf gekommen bin.
Klasse!
Bau ich mir dann nach meinem Umzug für meine 24V Uhrenanlage auch

Hallo Jens,

die fehlende Symetrierung würde ich mit zwei zusätzlichen Widerständen lösen. Damit wäre die Spannung zwischen den Kondensatoren auf einem definierten Potential.

Symetrierung.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Sind zwar 0,36 W zusätzliche Verluste, damit wäre man aber auf der sicheren Seite.

LG
Sigi

Die Widerstände zur Symmetrierung sind nur notwendig bei einer Reihenschaltung von Kondensatoren. Hier wird jede der beiden Kondensatorgruppen von einer Diode definiert im Halbwellenbetrieb geladen und hat dadurch die gleiche Spannung.

Diese Halbwellengelichrichtung macht die ganze Sache auch "weich". Man benötigt für den kurzzeitigen Laststrom ziemlich hohe Kapazitäten. Die machen den Netzteil größer.
Bei Verwendung einer Brückengleichrichtung reichen Kondensatoren geringerer Kapazität. Dann braucht man natürlich eine andere Trafospannung.

Ich habe noch einen Alternativvorschlag für ein sparsames 60V-Netzteil:
Sparsam sind grundsätzlich Schaltnetzteile. Für 60 V wird man kaum welche bekommen, aber es gibt welche für 30 Volt. Wenn man davon zwei in Reihe schaltet, hat man alles was man braucht:
- stabile 60 V ("hart")
- kaum Lehrlaufleistung
- geringer Platzbedarf

Solche Netzteile bietet der Anbieter der Nebenuhrsteuerungen an.
Ich habe mir einen "24 V Steckernetzteil" schicken lassen. Er hat aber eine Nennspannung von 30 Volt.

Roland

Hallo @steffl62 :
gaaaaaaaaaans weiche

zu meiner Zeit wurde das Problem mit überdimesionierten Trafos und riesigen Kondensatoren gelöst...

Hallo @Enno,
leider sind die meisten "Steckernetzteile" nicht richtig stabilisiert. Daher die erhöhte Spannung. Sie sind auf eine geringe "Vorlast" ausgelegt, die die Spannung "herunter zieht" (und den Stromverbrauch erhöht).

Gruß,
derTeichfloh

Zitat von Teichfloh im Beitrag #8

---

Hallo @Enno,
leider sind die meisten "Steckernetzteile" nicht richtig stabilisiert. Daher die erhöhte Spannung. Sie sind auf eine geringe "Vorlast" ausgelegt, die die Spannung "herunter zieht" (und den Stromverbrauch erhöht).Gruß, derTeichfloh

---