Weil es so schön war, gleich weiter im Text

Hier nun ein wirkliches "Schätzchen" aus der Jahresuhrenfabrik, eine Jahresuhr mit Scheibenpendel aus 1902.

Vielleicht gleich vorab:
Bei Jahresuhren wird viel spekuliert, wer denn nun der Erste war, der solche Uhren gebaut hat.
Dazu ein klein Wenig Geschichte: Ursprünglich stammen die Patente für Uhren mit Drehpendel als Zeitnormal aus Amerika, so um 1850 herum. Keines dieser Patente führte aber zu einer funktionsfähigen Uhr.

Zum Ende des 19. Jahrhundert erschien nun ein Herr Anton Harder auf der Bildfläche und suchte einen Uhrenhersteller, der nach seinem Patent (Österreichisch, kein Deutsches) eine Uhr mit Drehpendel (Torsionspendel) bauen könnte. Sein erster Versuch war um ca. 1879 - 1881 herum die Firma A. Willman & Co in Freiburg / Schlesien. Leider hat die Fa. Willmann es nicht geschafft, Uhren nach dem Patent des Herrn Harder funktionsfähig (das heißt reif für eine Serienproduktion) herzustellen. Aus dieser "Vorserie" sollen noch einige, wenige Uhren existieren. Gesehen habe ich noch keine. Es wurden angeblich auch nur 300 Stück in reiner Handarbeit gebaut.
Harder war frustriert (das Geld wurde wohl langsam knapp) und zog weiter auf der Suche nach einem kompetenten Uhrenhersteller. Nach einem Zwischenaufenthalt am Bodensee, er traf dort auf den Uhrmacher Jehlin, der ein Patent für ein Uhrwerk mit Drehpendel hatte. Später erhielt Harder auch diese Rechte nach dem Tod von Jehlin.
1881 traf Harder dann in Triberg auf den Uhrmacher August Schatz, der gerade mit einigen befreundeten Uhrmachern die Firma Wintermantel & Co gegründet hatte (der Vorgänger von Schatz & Wintermantel, Jahresuhrenfabrik-Triberg AG, usw.). August Schatz nahm sich dieses Projektes an und noch in 1881 konnte er ein funktionsfähige und für die Serienproduktion geeignete Uhr mit Drehpendel vorweisen. August Schatz war also der wirklich erste Uhrmacher, der in seinem betrieb funktionsfähig Jahresuhren herstellte, nach dem Patent Harder. Harder verkaufte seine Patente (er hatte wohl Geldsorgen) an den Holländischen Uhrengroßisten De Gruyter, der dann im Jahr 1899 die Patente auslaufen ließ. Erst ab diesem Datum erschienen dann andere Hersteller von Jahresuhren, um in diesem lukrativen Markt - vorallem im Export - ihr Geschäft zu machen.
(Teilweise aus dem "Lexikon der Deutschen Uhrenindustrie 1850-1980" von Hans-Heinrich Schmid).

Also: August Schatz gebührt die Ehre, der Entwickler und Produzent der ersten funktionierenden Jahresuhr gewesen zu sein.

Nun aber zu diesem "Schätzchen":

Wie gesagt, das Werk wurde nach Terwilliger um 1902 hergestellt. Das Drehpendel, das dabei war, passte allerdings absolut nicht zur Uhr. Hersteller war hier die Firma Kienzle um 1908 herum. Aber auf mein Anraten hat sich die Besitzerin dieser Uhr nach einem Scheibenpendel umgesehen und auch eins gefunden. Ich habe nicht schlecht gestaunt, als ich es gesehen habe: Original Wintermantel & Co aus 1881, also die erste Serie.

Diese Uhr hat ein mechanisches 400-Tage-Werk. Sie ist also eine "Echte" Jahresuhr, der Dom ist Echtglas, die Höhe der Uhr 29 cm vom Scheitel bis zur Sohle und der Durchmesser des Domes 14 cm. Also eine richtige erwachsene Jahresuhr.

Das Gehäuse besteht aus Messing und der Dom (ist bei der Besitzerin geblieben, da er ja für eine Instandsetzung nicht relevant ist) aus Glas. Das Drehpendel, mit dem diese Uhr gekauft wurde, ist nicht das Originale. Das hätte ein sog. Scheibenpendel sein sollen. Aber das vorhandene 4-Kugel-Pendel geht auch, obwohl es von der Firma Kienzle so im Jahr 1908 das erste Mal eingesetzt wurde.

Ich habe der Besitzerin zugesagt, dass ich mich auf die Suche nach einem Original Scheibenpendel mache und wenn ich fündig werden sollte, dieses kostenlos anpassen werde. Schaun mer mol!

Jetzt aber zur Uhr. Eine Jahresuhr kann am besten über die hintere Platine identifiziert werden. Es gibt Fachliteratur, die mich dabei unterstützt. Die hintere Platine dieser Uhr weist nur eine Marke auf: Auf der rechten Seite "PATENT ANGEMELDET" und darunter "PATENTS APPLIED". Zusammen mit anderen Charakteristika der Platinen weist das auf die Uhrenmanufaktur "JAHRESUHRENFABRIK" in Triberg / Schwarzwald, hin.
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Die hintere Platine ist mit Vorsteckstiften mit den Werkspfosten verbunden, die vordere Platine ist geschraubt. Das Ziffernblatt hat einen Durchmesser von 55mm (innen).


Das Ziffernblatt ist ein Email Blatt mit feinen Ziffern in schwarz. Die Zeiger sind aus Stahl gebläut. Das Ganze befindet sich in einer Lünette aus Messing und ist mit der vorderen Platine ebenfalls mit Stiften verbunden.
Alle relevanten Teile der Uhr sind mit der Nummer 37 gekennzeichnet.

Diese Uhr hat noch keine Stellschrauben zur Justage, auch gibt es noch keine Transportsicherung der Pendelfeder. Die Aufhängung der Pendelfeder ist Original und weist diese Uhr ebenfalls als JUF 1902 aus.

Diese Uhr war in einem recht desolaten Zustand, obwohl sie der Besitzerin als "Funktionsfähig" verkauft wurde. Nach einem ersten Telefonat und den ersten Bildern per Mail konnte ich der Besitzerin genaueres über die Uhr sagen. Sie hat sich dann entschieden, die Uhr zu behalten und nicht an den Verkäufer zurück zu geben. M.E. eine richtige Entscheidung, die durch den jetzigen Zustand der Uhr nur unterstützt wird.
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Die ersten Arbeiten an der Uhr war das Zerlegen und Reinigen aller Teile erst im Ultraschallbad anschließend mit Polierpaste auf Glanz gebracht, die Gangfeder wurde aus dem Federhaus genommen, ebenfalls gereinigt und gefettet und wieder eingesetzt. Vor dieser Arbeit habe ich immer großen Respekt, denn wenn sich diese Feder selbständig machen sollte, sind Beschädigungen und Verletzungen ganz sicher. Sie hat eine enorme Kraft. Nach der Reinigung der Teile wurden die Lager und Zapfen überprüft und für in Ordnung befunden. Anscheinend war diese Uhr so in den 50iger Jahren einer gründlichen Revision unterzogen worden, denn fast alle Lager waren neu gebuchst. Von daher also keine Probleme. Nach dem Polieren der Platinen wurden die Lager gaaaanz vorsichtig mit der Reibahle gereinigt.
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Jetzt gab es bei der Montage und beim Probelauf keine Probleme mehr. Die Einstellung des Ganges bei diesen Uhren ist immer eine langwierige Angelegenheit, da das Werk nach jeder Manipulation an der Pendelfeder oder am Drehpendel mehrere Stunden braucht, bis sie IHREN Takt wieder gefunden hat. Aber Rentner (ich) habe ja Zeit!

Ps.: Hier noch das Problem "Pendelfeder"
Pendelfeder-alt.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Hallo Rolf Dieter
Eine Frage wie muss ich das verstehen mit der Reibahle gerreinigt. Das führt doch zu einem Materialabtrag und zu einer vergrösserung des Lagerloches sprich zu mehr Lagerspiel.
Des weiteren was für ein Problem mit der Pendelfeder. Also wenn da Bedarf für Ersatz davon habe ich einige an Lager.

Gruss
Wolfgang Fritz

Hallo Wolfgang,
Also viele, vorallem alte, Beläge in den Lagern bekommt man auch mit dem Putzholz nicht weg. Dann mit einer 5-eckigen Reibahle VORSICHTIG den Dreck raus Reiben. Damit macht man den Durchmesser nicht größer. Ist so, als wenn man ein neues Lager aufreibt. Vorsicht ist dabei halt die Mutter der Porzellankiste.

Die Probleme mit der Drehpendelfeder bei Jahresuhren ist, dass Laien immer irgendwelchen Mist kaufen (oder aufgeschwatzt bekommen) und verbauen. Ich bleibe da beim Terwilliger und HOROLOVAR. Das spart die Anpassung von z.B. NIVAROX-Federn, die ja in der Breite um ca. 1/3 größer sind und daher eine viel höhere Federkraft haben. Und man glaubt es nicht: Es gibt sogar Händler, die einem noch Bronzefedern für Jahresuhren anbieten

Aber ICH habe mit den Pendelfedern absolut kein Problem. Ich stehen mit denen auf gutem Fuß

Hallo Rolf Dieter
Ich möchte beileibe niemanden etwas aufschwatzen. Das war nur ein unverbindliches Hilfsangebot.

Gruss
Wolfgang Fritz

Wolfgang, DICH habe ich doch damit garnicht gemeint. Ich glaube, Du weist, wer sowas macht. Oder?

Wenn ich demnächst eine feder brauchen sollte (Lager reicht wohl noch für ein paar viele Tage) frage ich Dich. Ok?

Hallo Stromer,
Das Reinigen der Lager mit einer Reibahle halte ich schon für etwas abenteuerlich.
Wer Reibahlen zu ihrem eigentlichen Zweck einsetzt, der sollte auch einen Satz Glättahlen besitzen.
Diese wären auch im vorliegenden Fall die bessere Alternative.

Gruß Fritz

@ Fritz,
Eigentlich hast Du Recht. Aber wir reden hier ja von Großuhrwerken, deren kleinster Zapfen gerademal 0,8mm hat. Ich glaube nicht, dass da ein Lager-Durchmesser von 0,81mm etwas am Gang der Uhr ändern wird.
Und ich muss noch dazu sagen, dass die Reibahlen, die ich für solche Sachen benutze, NUR dafür genommen werden und nicht zum Aufreiben von neuen Hartmessing-Lagern.

Im Normalfall nehme ich auch Putzhölzer.

Hallo Stromer,

statt Reibahlen kannst du kleine Zahnbürstchen für Spanträger oder Zahnzwischenräume nehmen. Ich verwende die viel bei Schwarzwalduhren. Man kann auch ein Putzholz mit Universalverdünnung oder Bremsenreiniger anfeuchten. Das nimmt auch ordentlich Dreck weg.

Viele Grüße

Kurt

oder Ethylacetat das löst auch ganz gut, das kommte dann bei mir, wenn ich mit Benzin und Alkohol nicht mehr weiterkomme.

und das in Kombination mit "selbstegdrehten Wattestäbchen"

Hi Kurt,

Bremsenreiniger. Ich glaube, das mach ich mal. Danke! Universalverdünner hatte ich schon probiert, war aber nicht so das Wahre.

MBC, Danke.

Und schon hat sich meine Anmeldung hier gelohnt. Viiiiele Tipps, die mir (und meinen Uhren) helfen werden.

Hört man gern

Zitat von Philclock im Beitrag #13

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Stromer,es macht auch Spaß deine Beiträge zu lesen.Also ein Gewinn für alle hier.

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