Ich hatte eine AU mit Chronograph verkauft, im Zuge meiner Sammlungsverkleinerung. Der Käufer freute sich zunächst, auch dass sie gut läuft und auch der Chronograph weich, sauber und zuverlässig läuft (das Venus 188 ist schon gut). Dann kam die Nachricht, dass die Uhr wenige Stunden nach Vollaufzug stehen geblieben sei. Zugleich würden die Chronographenfunktionen nicht mehr funktionieren. Aha. Schon dies deutete mir an, dass der Betreffende eher wenig von mechanischen Uhren versteht, denn dass die Chronofunktionen es nicht tun, wenn das Werk steht, ist eigentlich kaum überraschend.

Ich habe die Uhr dann ohne Diskussionen zurück genommen. Sie kam hier an, voll aufgezogen, und stand dennoch. Was war des Rätsels Lösung? Der relativ dünne innere Druckboden (leider mit noch ausgezeichnetem Schluß) hatte wohl "plötzlich" auf das Zwischenrad bzw. dessen Welle und somit auf das Sekundenrad gedrückt.

Warum ich das erzähle? Leider gibt es viele Menschen, die sich für Vintage Uhren begeistern, denen aber elementare Fertigkeiten im Umgang fremd sind. Das sollte man nie vergessen und ggf. auch darauf hinweisen.

1) Bei Druckböden nie mit dem Daumen in der Mitte auf den Druckboden drücken, um den Boden auf das Gehäuse zu drücken, sondern immer mit Fingern beider Hände ausschließlich an der Randwölbung drücken, damit sich der Deckel nicht verformt. Bei dieser Uhr reichte eine Verformung um wohl deutlich weniger als 1/10 mm schon aus, um obigen "Defekt" hervor zu rufen. Dasselbe Problem habe ich auch schon bei Taschenuhren erlebt, eine Uhr wird als defekt verkauft, es stellt sich am Ende (bzw. am Anfang der Fehlersuche) heraus, dass der leicht verformte Rückdeckel das einzige Problem war.

2) Man glaubt auch nicht, wie viele Menschen mit Savonette Deckeln bei TUen falsch umgehen, und den einfach schnappend zudrücken. Nein, man sollte den Knopf im Pendant zugleich drücken, so dass es eben nicht "schnappt". Warum? Damit der Rand des Savonette Deckels nicht im Bereich der Zuhaltefeder mit der Zeit verschlissen wird, bis der Deckel letztend nicht mehr zu hält. Gilt analog für englische TUen mit Consular Case beim rückwärtigen Sprungdeckel. Ist bei einer meiner Taschenuhren so, der sonstige Zustand von Werk und Gehäuse ist nahezu neuwertig. Da hat wohl keiner der Vorbesitzer das Vorstehende beherzigt. Besonders ärgerlich, weil sich weder Uhrmacher noch Juweliere in der Lage sehen, diese minmalen Verschleißspuren (aber mit großem Effekt) zu beseitigen.

Die meisten von Euch mögen all dies für selbstverständlich halten, so dass man denkt Andere wüßten das auch. Ist aber nicht so, weshalb ich zur steten entsprechenden "Aufklärung" rate. Vorsorglich.

Beste Grüße, Bernhard

Kann ich nur unterstreichen!

Besonders Punkt 2), denn der lässt sich nicht mehr so leicht beheben, wenn der Schaden mal weit genug fortgeschritten ist. Wenn ich in Filmen sehe, wie die viktorianischen Helden der Arthur-Conan-Doyle-, H.G. Wells- oder Jules-Verne-Abenteuer ihre Uhrendeckel zuknallen, bekomme ich jedesmal eine Vollkrise.
Ein Uhrmacher sagte mir "manchmal kann man da ein bisschen was holen", indem man den Deckelrand entsprechend an der Stelle von innen abstützt und ein bisschen mit Punzenschlägen bearbeitet. Oder wenn man die Feder ein bisschen gegenbiegt. Geht meistens nur um ein paar hundertstel Millimeter. Aber alles riskant und nicht unbedingt erfolgversprechend. Einfach nicht machen.

Punkt 1) kann man durch ein wenig Gegendruckmassage am Deckel wieder hinbekommen.

Zitat von monozelle im Beitrag #2

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Punkt 1) kann man durch ein wenig Gegendruckmassage am Deckel wieder hinbekommen.

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Grobmotoriker können einiges: eine Moderne Tissot-Chrono, bei der der Deckel so doll reingedrückt war, dass das Werk Richtung Glas verschoben wurde, bis der Zapfen von zentralen Sekundenzähler abgebrochen ist...
Immerhin werden Ersatzwerke mit einer vollen Batterie geliefert, insofern hat es sich gelohnt, die Batterie selbst zu tauschen.

Zum 2. Aber das Schnappen klingt so schön!
Spaß beiseite, bei einem Deckel aus Massivgold sollte die Reparatur machbar sein, Zeitaufwand aber auch nichts allzu kleines. Am liebsten den Deckel ganz runternehmen, also Scharnierstift raus und in Ruhe arbeiten, schätze ich mal. Bin ja kein Goldschmied.

Zu Punkt 2:
An dieser kleinen Damen-TU bedurfte es professioneller Hilfe eines Goldschmieds, um den "abgefressenen" Rand am Verschluss mit Silberlot wieder aufzubauen, ohne die kleine Lücke für den Hebel zur Zeigerverstellung mit zu zu kleistern. Die ganze Uhr ist es wahrscheinlich nicht wert, die Reparaturkosten zu decken. Wenn man es sich aber in den Kopf gesetzt hat, muss man halt durch.

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