Hallo zusammen,

kürzlich habe ich eine neue mitlaufende Spitze von Prätecma erhalten.

Die Spitze ist jedoch nicht so spitz wie bei den festen Spitzen, sondern leicht abgeflacht; siehe folgende Fotos.

Von der Seite betrachtet; beide Spitzen von Prätecma, beide neu gekauft:


Von oben betrachtet:


1. Frage: Ist diese Abflachung normal/ technisch begründet? Hat jemand die gleiche Spitze mit dieser Abflachung? Oder handelt es sich um einen Reklamationsgrund?

2. Frage: Wie man auf dem ersten Foto gut erkennen kann, ist mein Kurbelreitstock, der ansonsten technisch und optisch einen sehr guten Eindruck macht, unterseitig abgenutzt, so dass ein Höhenversatz in Papierblattstärke entstanden ist. Dies möchte ich korrigieren lassen. Hat jemand diese Arbeiten schon einmal bei Prätecma zur Zufriedenheit durchführen lassen? Oder bei einer anderen Werkstatt?

3. Frage: Die Wange muss auch korrigiert werden. Sie ist verzogen oder ungleichmäßig abgenutzt. Beim Auflegen eines 00 Haarlineals von Helios Preisser kann man Abweichungen von mehreren 10tel mm zum rechten Ende hin feststellen. Ist es besser das nachschleifen zu lassen, oder besser eine neue Wange bei Prätecma zu kaufen?

Die abgenutzten Teile gehören zu einer teuer gebraucht bei einem "renommierten" Händler gekauften WW83 ... Spindelstock, Reitstock und Wange haben die gleiche Nummer eingeprägt, gehören also zusammen.

Über Eure Hilfe würde ich mich sehr freuen.

Viele Grüße
Gerhard

Hallo Gerhard,



Ich denke, die Abflachung der Spitze ist normal bzw. gewollt.
Bei der mitlaufenden Spitze soll die Lagerung im Kegel einer Zentrierbohrung stattfinden, und nicht auf der Spitze.

Für Deine geplanten Reparaturen würde ich als erstes beim Hersteller anfragen, wenn die das nicht machen, haben sie vielleicht eine Adresse für Dich.

Dann kannst Du noch bei der HUS (Hessische Uhrmacherschule) anfragen. Dort hatten sie einmal mehrere Drehbänke zur Überarbeitung.

Bei derart starkem Verschleiß, der m. M. nicht durch übliche Abnutzung entsteht, würde ich eine Reklamation bei dem "renomierten" Händler in Erwägung ziehen. Warscheinlich sind nicht nur Wange und Reitstock verschlissen, sondern auch der Rest.


Viele Grüße!

Matthias

Wange, Reit- und Spindelstock sind eigentlich niemals abgenutzt, weil im Gegensatz zu einer "normalen" Drehmaschine ja keinerlei Bewegung stattfindet.
es gibt keinen Bettschlitten.

Sehr viel wahrscheinlicher ist es, dass deine Wange einfach verbogen ist, warum auch immer.
Nachschleifen ist wegen der Schrägen sicher teuer.

Ich würde die Wange genau untersuchen, ob Gewaltspuren eine Verbiegung plausibel machen.
Danach durch Vermessen die eigentliche Verformung rausbekommen. Vielleicht läst sich die Wange richten. Das ist bei jemand der das kann sehr viel weniger Arbeit wie neu schleifen.
Z.B. ist es sinnvoll, Spindelstock und Reitstock zusammen zu verfahren und zu schauen, ob der Höhenunterschied an verschiedenen Positionen gleich ist.

Ich habe mal eine originalverpackte Boley Triebnietmaschine ersteigert, die nicht rechtwinklig war, weil irgendwas Schweres durch die Holzkiste durch das Gussgestell verbogen hat.
Das habe ich durch gezieltes Strecken mit dem Hammer korrigieren können.

Die WW Wangen sind vermutlich aus Gussstahl. Gussbauteile werden um späteren Verzug zu vermeiden spannungsarm geglüht. Es ist möglich, dass durch die lange Zeit Bauteilspannungen dennoch zu dieser Verformung geführt haben. Selbst bei einem gewalzten Vierkantstahl von 30x50mm habe ich selbst solche Verformungen beobachten/messen können. Eine Idee(!) wäre den Spindelstock auf das andere Ende der WW Wange zu setzen, ob dann vielleicht zwischen Spindelstock und Reitstock kleinere Höhenunterschiede vorhanden sind. Mit Schleifen oder Biegen wäre ich zuerst einmal vorsichtig, da dies irreversibel ist. Bei größeren Werkzeugmaschinen wird bei der Aufstellung mit hauchdünner Metallfolie Höhenunterschiede bei der Montage ausgeglichen. Dies ist aber nur bei fester Montage wie z.B. dem Spindelstock sinnvoll.

Hallo Matthias,

vielen Dank für Deine Antwort. Ja, ich werde mich zunächst an Prätecma wenden. Ich werde berichten, welches Ergebnis ich erzielt habe. Zunächst will ich den Spindelstock noch durch einen Profi ansehen lassen, ob sich der Aufwand lohnt. Ich selbst kann an dem Spindelstock keinen Mangel (Rundlauf, Passgenauigkeit der Einsätze in der Aufnahme...) erkennen.

Viele Grüße
Gerhard

Hallo Sonnenuhr,

ich habe den Spindelstock am rechten Ende der Wange aufgesetzt. Der Versatz der Spitzen ist geblieben. (Spitze Reitstock tiefer)

Ansonsten lässt sich der Spindelstock nicht auf der Wange verschieben; es entsteht beidseitig nach kurzem Weg ein Widerstand.

Viele Grüße
Gerhard

Hallo mikromeister,

das Bearbeiten der Wange traue ich mir nicht zu. Je nach Preis ist eine neue Wange oder ein Nachschleifen lassen für mich der sichere Weg, auch wenn ich dafür "bluten" muss.

Viele Grüße
Gerhard

Wenn der Versatz an beiden Enden der Wange gleich ist denke ich nicht das es an der Wange liegt. Das ist wohl eher eine Abnutzung an der Führung des Reitstocks.

lg Christian

Bei welcher Gelegenheit soll sich die Reitstockführung abnutzen? Das ist nahezu ausgeschlossen.
Unter Umständen gehören die Teile einfach trotz gleicher Nummer nicht zusammmen.

Dass sich der Spindelstock nicht beliebig verschieben lässt ist höchst seltsam.
Der liegt doch nur auf dem Prisma auf und wird von einer Spanneinrichtung runtergezogen. Oft ist das ein Exzenterhebel.
Den kann man immer im Hub einstellen. Schau mal genau wo das zwickt. An der Wange an sich liegt es sicher nicht.

Bei einer Wange, die du im 1/10 Bereich krumm misst, muss man mit verschiedenen Positionen und Auskraglängen an Spindel und Reitstock verschiedene Versatze sehen können. Anders ist das nicht möglich.
Du musst durch geschickte Prüfungen rausfinden, ob die Achsen parallel zum Bett stehen, z.B. indem die Reitstockpinole kurz und lang eingespannt wird und in der Spindel ein kurzes oder langes Werkstück steckt.
Hast Du sowohl die Wange als auch die Auflagen mal tuschiert? Ein Filzstift genügt fürs erste um rauszufinden ob vielleicht nur irgendwo eine Macke des Rätsels Lösung ist.

Ich fürchte, deine Fehlersuche ist nicht sauber genug gemacht und wir rühren hier im Dunkel.

Zur Ergänzung für alle, welche um wenige hundertstel mm einen Zusammenbau korrigieren möchten, die "hauchdünne Metallfolie" ist im Internet als Hasbergfolie erhaltbar: https://www.hasberg-schneider.de/leistungen/praezisions-lehrenband-standardbreite/

Vor einigen Jahren hatte ich meine ww Drehbank von Manfred gekauft. Damals hatte ich alles zerlegt, nochmals gereinigt und ausgemessen. Die Wange wurde dazu leicht auf eine Fräsmaschine gespannt und mit einer Messuhr abgefahren. Wenn dabei tatsächlich Abweichungen auftreten, klebt man längs der Wange eine Kreppband und notiert sich die Werte. Das ganze dann abfotografieren zur Dokumentation. 1/10mm auf 40mm ist m.M.n. noch nutzbar, wenn man es weiss und entsprechend berücksichtigt. Der Einfluss dieses Fehlers ist wie mikromeister schon geschrieben hat positionsabhängig und je dichter der Reitstock zum Spindelstock steht, desto kleiner ist der Fehler. Die Achsparallelität und auch der Rundlauf und Ausrichtung der Spindelwelle testet man am besten durch einen langen Silberstahl, der so dick ist, dass er sich nicht auf dieser Länge durchbiegt. Spann man diesen langen Stahl ein und dreht von Hand langsam die Spindel, kann man durch die Länge oft schon ohne Messgeräte Fehler erkennen. Das Ende der Silberstahl- Welle sollte zum Reitstock immer gleiche Position haben. Beim Reitstock geht dieses Verfahren auch: einen 6mm oder 8mm Silberstahl durch den Reitstock schieben und mit voller Länge einmal nach vorne und einmal nach hinten nachmessen wie der Höhenunterschied ist.
In Deinem Fall scheint ja die Position des Reitstockes keinen Einfluss zu haben. Wenn dem wirklich so ist, und der Fehler im Reitstock liegt, könnte man überprüfen ob die Achse schief steht (Verbiegung?) indem man den Reitstock einfach um 180° versetzt. Wäre der Reitstock nach vorne geneigt, müsste nun die andere Seite höher stehen.
Wenn der Reitstock hier auch den gleichen Höhenfehler aufzeigt, dann ist nicht der Reitstock zu tief, sondern der Spindelstock zu hoch. In dem Fall tippe ich auf eine Verschmutzung, Verkrustung oder den Grad einer Delle auf der Kontaktseiten zwischen Wange und Spindelstock.

Vielleicht hilft dies weiter ...

Michael

PS: Deine Bilder konnte ich nicht anschauen, da ich abload.de durch einen firewall-Filter gesperrt habe. Die Tips sind somit nur auf Basis deiner Beschreibung.

Off Topic: Ob man die Hasbergfolie auch zur Herstellung spezieller Pendelfedern verwenden kann ?

Hallo Michael,
kann man, ich mache meine Pendelfedern für die Mutteruhren daraus.
Die Folie gibt es in verschiedenen Dicken.
Gemäß Robert Matthys "accurate Clock Pendulums" macht es einen Unterschied, aus welchem Stahl die Feder hergestellt wird.
Rostfreier Stahl schneidet da schlechter ab.
Die Folie (Fühlerlehrenband) gibt es auch als nicht rostfreie Variante.

Grüße
Achim

Hallo zusammen,

vielen Dank für Eure Antworten:

@Michael, das ist ein sehr interressanter Link auf die interessanten Metallfolien/ -bänder - gerade auch für andere Zwecke.

Aber eine Frage: Warum hast Du abload.de gesperrt? Es ist der langjährigig zuverlässigste Bildserver, den ich kenne. Dazu lässt er sich kostenlos, bzw. in meinem Fall mit einer kleinen, regelmässigen Spende nutzen und ich gebe meine Bildrechte nicht ab, wie bei manch anderem kostenlosen Server. Jedoch: Alle Fotos habe ich jetzt auch hier im Forum in der Galerie eingestellt.

Die Wange habe ich mit meinem Haarlineal nochmal auf beiden Profilen geprüft und es ergibt sich nur rechts ein Lichtspalt von ca. 70 bzw. ca. 100mm Länge (normale/ zulässige Abweichung?). Also lässt sich der Höhenversatz wohl eher auf Reitstock/ Spindelstock-Höhenversatz zurückführen.

4 Fotos von der Wange incl. offensichtlich nachlackierter/ neulackierter Bereiche/ Roststellen auch unter dem Lack. Leider sind mir die Fotos vom Lichtspalt nicht gut gelungen, das beste beigefügt:









Die Unterseite des Spindelstocks sieht so aus (ich denke es liegt keine gröbere Verschmutzung vor):





Die Unterseite des Reitstocks sieht so aus (etwas stärker abgenutzt):





@Mikromeister: Ich habe den Reitstock mal auf 44mm ausgefahren. Der Spitzenversatz hat sich unter der Lupe betrachtet nicht (sichtbar) verändert. Messen werde ich das auch noch. Immerhin scheint das auf eine Parallelität des Reitstocks zum Bett hinzudeuten. Wie ich die Parallelität der Spindel im Stock messen kann, weiß ich nicht. Hier wende ich mich wohl besser an einen Profi. Die Nummern der Teile sind auf den Fotos zu erkennen. Kann man das fälschen?

@Christian: Ja, das sehe ich auch so, siehe oben. Das wichtigste ist für mich jetzt die Tauglichkeit des Spindelstocks zu prüfen. Ist der in sehr gutem Zustand, würde ich auch das Geld für eine Höhenanpassung Spindelstock zu Reitstock ausgeben.

Und noch eine Frage: Die Wange ist so im Schwerfuß eingebaut, dass sie in Querrichtung verdreht schräg liegt. Die Abweichung des Spindelstocks aus dem Lot gegenüber der Tischplatte ist mit bloßem Auge zu sehen. Gemessen ca. 1mm von Unterkante Spindelstockseite zu Oberkante Spindelstockseite. Ist das immer so (Absicht), oder wurde die Wange (z.B. nach dem Lackieren...) falsch eingebaut?

Viele Grüße
Gerhard

Hallo Gerhard,
ich glaube auf den letzten vier Bildern Kratzer und aufgeworfene Grate auf den Passflächen zu erkennen. Obwohl klein, können sie zu den von Dir geschilderten Problemen führen.
Hast Du Poliersteine (glatt geschliffene Schleifsteine) oder einen geschliffenen Degusit Bankstein zur Verfügung?

Einen Lichtspalt solltest Du zwischen Bett und Haarlineal nicht sehen, schon gar nicht über 10 cm Länge.
Hast Du eine Tuschierplatte zur Verfügung?
Der Lichtspalt sollte eigentlich zu einem Höhenversatz in der anderen Richtung führen. Hmm

Gruß,
Jochen

Hallo Gerhard,

Deine Bilder habe ich mir gerade angeschaut. Sieht für mich insgesamt gut aus, anhand der Bilder.
An den seitlichen Führungsflächen des Reitstocks (in Deinem Bild unten rechts) ist etwas. (Span, Schmutz,...)
Kann das die Ursache sein:


Gruß
Michael