So denn: In meiner Vorstellungsrunde hatte ich ja die HSH-3 erwähnt. Da die Umstände, unter denen ich die Uhr bekommen konnte, sehr ungewöhnlich waren, möchte ich euch die Geschichte gerne erzählen.

Es handelt sich um eine Hauptsignaluhr HSH-3 (60 Volt) von Pragotron Elektrocaz. Mir ist bewusst, dass die Uhr euch grundsätzlich bekannt ist. Ich habe hier im Forum bereits das eine oder andere über Haupt- und signaluhren gelesen und viele Bilder gesehen. Solche Uhren werden auch dann und wann bei den großen Internetplattformen zum Kauf angeboten. Wenn sie aber auftauchen, dann fast immer in zweifelhaftem Zustand, jahrzehnte in öffentlichen Einrichtungen benutzt, irgendwann aussortiert und irgendwo eingelagert. Ich dagegen bin etwas anders zu meiner Pragotron gekommen. Ich durfte sie im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Originalkarton nehmen und habe die Erstinbetriebnahme durchgeführt. Zu den Umständen später.
Hier erst mal ein paar Bilder vom aktuellen Zustand:

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Man verzeihe mir die dilettantische Verkabelung an der Wand. Das Provisorium muss ich mal durch eine ordentliche Leitungsverlegung ändern... Irgendwann.

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Ich datiere die Uhr auf Baujahr 1968 (ich habe unten noch ein Bild dazu).

Die Nebenuhr ist eine RFT 60V.

Als 60-Volt-Netzteil dient ein recht günstiges LED-Netzteil aus dem Internet (asiatischer Provenienz). Das liefert ziemlich genau 58 V Gleichstrom und genügt vollauf (Für mehr als eine Nebenuhr wäre es eventuell zu klein. Aber das ist hier nicht notwendig.).

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Nun zur Geschichte: Gefunden bzw. entdeckt habe ich die beiden Uhren vor etwa einem Jahr in einem alten, abbruchreifen Haus, das jemand aus meiner Verwandtschaft vor einigen Jahren erworben hat. In dem Haus befand sich vor der Wende eine kleine Metallfirma, die als externer Betriebsteil natürlich in einen großen VEB integriert war. Im Erdgeschoss gab es Blechbearbeitung (Stanzen, Scheren, Bohrmaschinen, Schweißgeräte etc.), im Obergeschoss wohnten die Eigentümer (heute längst verstorben).
Letztes Jahr dann kam das Gespräch auf das Haus und dass doch da noch so viel Gerümpel drinne sei. Man müsse mal ausräumen. Ich wurde eingeladen, mich einfach mal umzuschauen (ich hatte keine Ahnung, was mich erwartet). Von den Maschinen war alles vom Vorbesitzer ausgeräumt worden. Zu 90% befand sich in dem Haus tatsächlich Müll und Gerümpel. Hier mal ein Bild von einem der Räume im Untergeschoss:

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Ich fand dennoch einiges an Kleinzeug: einige Materialien (Bolzen, Schrauben, Muttern), einige Messmittel und Lehren (mehrere Messschieber, Gewindelehren, Präzisionswinkel etc.) und ein wenig Werkzeug (viele Bohrer und Gewindebohrer, Sägeblätter etc.). Sogar zwei DDR-Elektroschnellschrauber waren dabei (inzwischen verkauft), zwei Gewindeschneidapparate, das eine oder andere Bohrfutter.
Im Obergeschoss, der ehemaligen Wohnung, fand sich nicht viel, außer die Hinterlassenschaften der Marder... über viele Jahre angesammelt. Das veranlasste mich, zu entscheiden, dass ich den (baufälligen) Dachboden nicht betreten wollte.
Am gleichen Tag - ich hatte noch die Hausschlüssel - entschied ich mich, doch den Dachboden zu inspizieren. Kann ja nicht schaden und wegen der "Marderrückstände" müsse ich mich halt vorsehen.
Auf dem Dachboden das gleiche Bild: viel Müll und Gerümpel, dazwischen alte Materialien (packenweise Schweißdraht, mehrere Schleifscheiben und noch mehr Schrauben, Bolzen etc...).
Ich wollte schon wieder gehen, das Tageslicht schwand und in dem Haus gab es keine Strom. Da stieß mein Fuß eher beiläufig gegen einen Karton am Boden. Dieser war außergewöhnlich schwer... Hm, doch noch schnell nachsehen? Karton, äußerlich sehr von den Marderumtrieben gekennzeichnet, vorsichtig geöffnet - und ich traue meinen Augen nicht. Da liegt doch tatsächlich eine Hauptsignaluhr drin! Ich war so aufgeregt, dass ich glatt vergessen habe, die Fundsituation per Foto zu dokumentieren. Deshalb habe ich auch kein Bild vom (unrettbar beschmutzten) Originalkarton.
Hier mal ein Bild von der Fundstelle:

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Und nun zu ein paar Bildern von der noch original verpackten Uhr. Die RFT-Nebenuhr fand sich dann auch noch in einem Dachbodenregal, ebenfalls unbenutzt, nur leider sehr schmutzig. Offensichtlich hatten sich die Marder die RFT-Uhr als Toilette auserkoren...

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Der originale Kontrollzettel in der Uhr, datiert auf 1968, wenn ich es richtig entziffern kann.

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In dem Tütchen befinden sich die Signalstifte und ein winziger Schraubendreher dafür.

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Die originale Bedienungsanleitung und der originale Teilekatalog waren auch dabei.

Unglaublich! Die Uhr lag originalverpackt wohl seit ca. 1970 auf dem Dachboden dieses Hauses und wurde nie installiert. So hat sie die Wende, die Wirren der Nachwendezeit, den Firmenkonkurs und schließlich auch noch die Bauattacken des Erbes, dem späteren Verkäufer, überlebt.

Ich durfte die Uhr behalten und habe meinem Cousin für all die Teile, das Werkzeug und die Uhr eine Kiste Bier spendiert. Seine Worte waren nur: Wäre nicht nötig gewesen. Er sei froh, dass er das Zeug los ist.

Uhr und Uhrwerk wurden erst einmal teilzerlegt, gereinigt und erstmalig geölt. Im Prinzip war die gesamte Uhr praktisch sauber, aber ich wollte kein Risiko eingehen. Seit etwa einem Jahr läuft die Uhr nun ziemlich auf die Sekunde genau nach einer längerdauernden Regulierungsphase.

So, hoffe, es hat euch gefallen.

Grüße, Markus

Hallo Markus,

vielen Dank dafür, dass du deine Geschichte mit uns geteilt hast. Ein wirklich außergewöhnlicher Zufallsfund, Glückwünsche. Halte sie in Ehren und viel Spaß. :)

Lg Eric

Glückwunsch! So einen Fund gibt es heutzutage nicht mehr oft.

Bezüglich weiterer Nebenuhren ist die Leitung des Netzteils übrigens mehr als reichlich. Eine 60-V-NU benötigt nur rund 10 mA. Der Antriebsmagnet mit dem Dämpfungswiderstand benötigt dagegen etwa 50 mA.

LG
Roland

Hallo,

ja, das war wirklich unglaublich. Das erste, was damals meine Frau gesagt hat, war: Na hoffentlich gongt die nicht auch noch! So durfte sie dann doch bei uns einziehen.
Mehrere Nebenuhren sind erst mal nicht geplant, aber kann ja noch kommen. Gut zu wissen, dass es das Netzteil schaffen würde. Derzeit hängt die RFT-NU auch direkt daneben, ziemlich sinnfrei in dieser Anordnung. Aber mich interessiert eher das funktionierende System als solches und ich wollte nicht gleich Löcher durch die Wände bohren, um die NU in einem anderen Raum zu installieren.

Ich hätte aber eine Frage zum Aufzug. Die Uhr zieht maximal zu 60 Grad auf. Das Schwungrad mit dem Kontaktstift schafft keine 90 Grad (Vierteldrehung). Die Spulen für den Aufzugsmagnet habe ich überprüft. Beide sind in Ordnung und erzeugen ein Magnetfeld. Ich habe auch verschiedene Positionen des Eisenankers ausprobiert, aber mehr als 60 Grad sind nicht zu erreichen.
Dann habe ich mit dem Aufzugsgewicht experimentiert. Das Originalgewicht wiegt 105 g. Ich habe mir zunächt aus Messing einen 60g-Zylinder gedreht. Der war zu leicht. Die Uhr lief zwar und zog auch weiter auf, aber das Gewicht schaffte es nicht, den Polwendekontakt durchzudrehen. Ich bin jetzt bei 90 Gramm gelandet. Damit funktioniert der Aufzug einigermaßen und der Polwendekontakt dreht auch zuverlässig.
Aber müsste die Uhr nicht eigentlich weiter aufziehen?

Grüße, Markus

Hallo Markus,

der Aufzugswinkel des Schwungrades hängt sehr direkt von der Spannung ab, ebenfalls aber auch von der Masse des Antriebsgewichts und der Steifigkeit der Speicherfeder. Ob es nun aber 30 oder 90 Grad sind, ist grundsätzlich egal bezüglich der Funktion. Ein kleinerer Winkel bedingt einen häufigeren Aufzugsimpuls und wird eher subjektiv als störend empfunden und hat möglicherweise einen etwas höheren Verschleiß am Kontaktstift des Schwungrads zur Folge.

Meine HH100 läuft mit einem originalen Gewicht von 105 Gramm. Ihr Schwungrad macht knapp 45° beim Aufzug.
Die HSH3 benötigt wegen des zusätzlichen Signalwerks 120 g für den Antrieb. Trotz des schwereren Antriebsgewichts ist der Aufzugswinkel bei ihr über 50°.
Beide Uhren werden mit einer Systemspannung von 27 Volt (gepufferte Bleibatterie) versorgt.

Ursprünglich hatte ich ein NÖLP-Netzteil verwendet. Es gibt fast 29 Volt aus. Damit war der Impulswinkel etwas größer.

LG
Roland

Hallo Roland,
danke für die Informationen. Das ist sehr interessant. Für 60V aus Batterie müsste ich ja einen Reihenschaltung aus mehreren Batterien inkl. automatischer Ladungseinrichtung bauen... Da streikt meine Frau ganz sicher, weil meine HSH3 neben dem Klavier im Esszimmer hängt Ich kenne aber die Bilder deiner Zeitzentrale...

Ja, die Versorgungsspannung des LED-Lichtleisten-Netzteiles kann ich mit ca. 58V messen. Selbst das originale VEB-Netzteil - dieses große, brummende Ungetüm mit Kippschalter und Metallgittergehäuse - bringt nur 56V auf die Waage.

Jetzt muss ich mal dumm fragen: Meinst du mit Speicherfeder die Feder, die den Uhrengang in der Aufzugsphase sicherstellt (also diese Spiralfeder mit Haken direkt auf dem Gesperr)? Weiterhin gibt es eine Spiralfeder am Anker des Aufzugsmagneten. Je stärker diese Feder ist, desto schwerer dreht der Anker natürlich zwischen die Spulen.

Nebenbei: Das originale VEB-Netzteil war bei dem Fund auch dabei, ebenfalls unbenutzt, von mir nur mal ausprobiert. Wer es haben möchte - einfach PN an mich. Kleiner Obulus für die Verpackung und die Übernahme der Versandkosten, mehr brauche ich nicht. Allerdings ist das Teil sicher über 8kg schwer. Bild zeigt meine kurzzeitige Testphase. Das Ding ist nicht nur eine Spannungs- sondern auch eine Wärmequelle.

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Grüße, Markus

Ja, als Speicherfeder bezeichne ich bei den TN-/Progotron-Uhren die Schraubenfeder zwischen Schwungradwelle und Uhrwerk, die Teil des Gegengesperrs ist.
Die Bronzefeder am Aufzugsanker hat eine Doppelfunktion: Sie ermöglicht die Stromübertragung zum Kontaktstift und dient gleichzeitig als Rückholfeder.

Ich befürchte, dass eine solche Uhr aufgrund des Aufzugsgeräusches nur in wenigen Fällen von "der Regierung" im Wohnraum geduldet wird.

Roland

Bei meiner Uhr scheint die kleine Zug-Spiralfeder am Aufzugsanker keine Doppelfunktion zu erfüllen. Es gibt da eine hochflexible Litze, die den Kontaktstift mit dem elektrischen Anschluss der Spulen verbindet (siehe Bild). Auf dem Foto, das ich augenblicklich hier zur Verfügung habe, kann man leider nur das Kabel erkennen, aber nicht, wo es oben bei den Spulen angeschlossen ist. Bei Gelegenheit mach' ich mal ein neues Foto.

HSH3_Anker_Spulen.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)

Ich denke, ich lass' es einfach bei dem derzeit möglichen Aufzugswinkel von ca. 50° und versuche da nicht, noch irgendwas zu verschlimmbessern. Das Signalwerk habe ich ja ohnehin von allen Signalstiften befreit. Zwei Stifte waren vom Werk aus eingeschraubt, alle anderen befanden sich ja eh im gezeigten Tütchen. Jetzt geht das Signalwerk zwar mit, muss aber keine Signale schalten. Dennoch "knackt" das Signalwerk regelmäßig. Einmal springt wohl alle 5 Minuten der Taststift zum nächsten Zahn auf dem sägeblatt-förmigen Rad mittig halb hinter dem Zifferblatt versteckt. Den Taststift sieht man links davon.
Signaleinrichtung.jpg - Bild entfernt (keine Rechte)
Aber pünktlich 7 Minuten nach 00:00 knackt ein weiterer Haken oder Kontakt. Ich konnte noch nicht sehen, was es damit auf sich hat. Ist das irgendein Umschalten alle 24 Stunden?

Wenn man genau auf das Signalwerk schaut, kann man auch erkennen, dass dieses aktuell um 12 Stunden versetzt läuft. Ich hatte die Uhr im August während unseres Urlaubes vom Strom genommen und angehalten. Das war früh morgens. Als wir zurückgekehrt sind, habe ich die Uhr zu der auf dem Zifferblatt stehenden Uhrzeit wieder aktiviert. Allerdings war das dann abends...
Naja, muss ich bei Gelegenheit mal korrigieren (abends vom Strom ziehen und anhalten, morgens wieder aktivieren). Als Uhr geht sie ja trotzdem richtig.

Grüße, Markus

Das knacken was du alle 24 Stunden hörst ist das weiterschalten des tagesrads womit man Signale an bestimmten Tagen (normalerweise samstag und sonntag) unterdrücken konnte. Die Pausen Hupe in einer fabrik musste an diesen Tagen nichts signalisieren und konnte mit Hilfe des Rades wo die römischen Ziffern 1 - 7 drauf sind eingestellt werden. I ist dementsprechend der Montag und VII der Sonntag.

Und mit deiner Vermutung das das Signalrad um 12 Stunden verschoben bist liegst du richtig. Das macht in 24 Stunden genau eine Umdrehung. So wie du das beschrieben hast, kannst du das aber beheben.

Liebe Grüße!

Oder einfach per Hand nachstellen, ist jedoch etwas umständlicher/ nicht so praktikabel wie die beschriebene Methode.

Ich habe aktuell eine RFT HU12 im Wohnzimmer zum Probelaufen. Tatsächlich finde ich den dortigen Aufzugsmechanismus 'anstrengender', da er wirklich jede Minute nachholt. Meine HSH300 zieht alle paar Minuten mal auf, was fürs Ohr deutlich angenehmer ist.

Oder eine gute revidiert Bürk hauptuhr. Wenn der synchronmotor nicht brummt hört man außer dem Ticken eigentlich nichts

Ja, eine Bürk wäre natürlich auch was. Im Grunde stört mich das Aufzugsgeräusch gar nicht. Die Uhr zieht ca. alle 3 Min. auf und recht laut ist das auch nicht.
Das Signalrad werde ich schon demnächst mal korrigieren. Allerdings möchte ich nicht die Uhr 12h über den Minutenzeiger weiterdrehen. Das Zifferblatt sieht noch sehr gut aus und ich möchte mich davor hüten, es ausversehen zu zerkratzen. Ich setze die Uhr einfach mal 12h still. Den Rest macht die Zeit dann von alleine.

Nochmal zum Aufzugsanker:
Hier mal zwei Fotos, wo man sehen kann, dass der Kontakthebel des Ankers über eine flexible Litze mit dem Stromanschluss der Spulen verbunden sind. Meines Erachtens hat also zumindest bei meinem Exemplar die Spiralfeder nur die Funktion, den Anker wieder zuverlässig in die Ausgangposition zu bringen.
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Grüße, Markus

Hallo Markus

Glückwunsch zu deinem Fund !
Und Danke das du uns die Geschichte erzählt hast .
So einen Fund macht man nur sehr selten !
Halte sie in Ehren !

Gruß Alex

Zitat von Bahn Mutteruhr im Beitrag #13

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Glückwunsch zu deinem Fund !
(…)
Halte sie in Ehren !

Gruß Alex

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Hallo ihr Experten!
Wir haben auch so eine HSH3 aus meines Vaters Betrieb gerettet. Sieht gut aus, wir versuchen Mal 60V anzulegen. Ich schau mal, was ich für Netzteile finde...