ich habe hier eine kleine Russin, die wohl schon Einges gesehen hat und nun nach der Komplettreinigung ganz begierig darauf ist wieder zu Laufen.
Nach den Eigenschaften sollte das Werk ein Sportivnie 2608 aus der 1.Moskauer sein, Zeit etwa von 1954 bis 1957, hier ist es:
Nach dem Reinigen, Ölen und schließlich Einsetzen der Unruh, rappelt die Kleine gleich los.
Meine Schwierigkeit besteht darin, dass wenn ich das Decksteinplättchen der Zifferblattseite einsetze und nur annähernd festziehe, steht die Unruh, löse ich wieder, so geht es weiter. Auf den Bildern läuft das Werk und man sieht das nicht nur nicht zentrierte, sondern auch lose Plättchen. Das Werk macht auf der Zeitwaage in diesem Zustand +<10s ohne Justierungen.
Nun habe ich bei diesen mit nur einer Schraube befestigten Decksteinplättchen stets die Schwierigkeit, die korrekte Mittellage zu treffen und beim Festziehen nicht zu verlieren, wäre da generell für Anregungen dankbar ...
... konkret möchte ich aber nun wissen was zu tun ist, wenn das Festziehen des Plättchens die Unruh stoppt - und zwar suche ich nach einer Methode mit der ich nicht irgendwann mal als Objekt in den "Au Banane [...]"-Faden wegen untergelegtem Irgendwas gerate. Es lose zu lassen und auf die Hilfe des Zifferblatts zu hoffen, halte ich ebenfalls für keine gute Idee ...
Bei russischen Werken wird das Axialspiel der Unruh häufig mit Unterlegplättchen unter den Unruhkloben eingestellt. Oft geht dieses Plättchen aus Unachtsamkeit verloren, weil man ein solches dort nicht vermutet. Vielleicht ist dies auch bei Deinem Werk passiert. Gruß, C.
Ich bin KEIN Maßstab mit meinen bescheidenen Erfahrungen, aber diese erwähnte Unterlegplättchen sind mir hauptsächlich bei russ. Werken untergekommen. Eine Pfuschpraxis war auch, einen Hieb unter den Unruhkloben zu hauen, womit ein kleines Stück Metall erhaben war und so die Höhenluft verbesserte. Nicht, dass ich dazu raten würde, aber so wurde das Problem wohl oft schnell und ungenau gelöst.
ich kenne die Unterlagen unter dem Unruhkloben von den Molnija 3602 Werken. Die Bleche sind sorgfältig ausgestanzt, wo Befestigungsschraube und Positionierstifte sind, und wurden wohl schon ab Werk zum Toleranzausgleich verwendet. Grundsätzlich spricht also nichts gegen das Unterlegen. Alternativ könntest Du den Deckstein im Plättchen einige Hundertstel zurückdrücken. Hat die Unruh bei angezogenem Plättchen ausreichend Höhenspiel ? Traust Du Dir zu, die Spirale abzuheben ? Wenn ja, dann baue den Anker aus, und die Unruh ohne Spirale ein. Mit dem Staubbläser angepustet, kannst Du leicht feststellen, ob die Unruh leichtgängig läuft.
Ich beschreibe jetzt besser etwas genauer: - die passenden Unterleger - ich nenne sie hier jetzt "Shims" - kenne ich von russischen Werken und in zahlreichen technischen Anwendungen, da wo es um präzises Einstellen von Spiel geht, z.B. Lager und Zahnräder in Getrieben etc. Ich denke auch, dass das durchaus Hersteller-Praxis war. Nach einem solchen habe ich auch nochmal in den Sieben geschaut: bei mir hatte das Werk sowas nicht mehr;
- - vor dem Zerlegen ließ sich die Unruh anstoßen und bewegte sich entsprechend der Energie die man damit in die Spirale einbrachte, halbwegs frei aber zeitlich begrenzt;
- - auffällig waren die ungeheuer stark angezogenen Klobenschrauben, soviel Kraft war noch nie (wenn nicht gleichzeitig auch Rost anwesend war), so stark habe ich beim Zusammenbau nicht wieder angezogen;
- - auch die Schraube des Decksteinplättchen war für ihre Winzigkeit recht kräftig angezogen;
- - ergo: irgendwas muss wohl anders sein ...
Beim gepfuschten Unterlegen hatte ich an etwas aus dem "Au Banane [...]"-Faden gedacht, das ich beim Suchen gesehen und was zu vermeiden wäre, nämlich einfach irgendetwas mit unter das Plättchen zu legen - da kein Vorschlag in diese Richtung ging, ist das also zu Recht vom Tisch, es gibt an dieser Stelle keine "fachmännische Form des Pfuschens".
Verloren gegangene Höhe - z.B. beim Feilen - durch Körner-Marken sich zurückzuholen, kenne ich aus der Schlosserei, möchte ich hier aber nicht anwenden. Danke trotzdem @carondeb
@Alberich vielen Dank, - Deckstein im Plättchen zurückdrücken, hmmm, das wohl nicht so wie du es tätest, aber ich werde prüfen ob er sich mit kleiner Kraft bewegen lässt, also in der Elma seine Position verlassen konnte:
- Spirale abheben: noch Nein, weiter als komplette Unruh am Kloben tauschen bin ich noch nicht (kommt noch, aber heute nicht mehr und morgen nicht gleich :o)
- Höhenspiel am Reif bei strammer Montage werde ich prüfen - hat mich immer schon interessiert: wieviel Spiel ist hier richtig?
@kugellager - herzlichen Dank, die Biester nicht mal mehr zu zentrieren versuchen zu müssen, ist eine Erleichterung.
Werde nachsehen, vielen Dank, vielleicht könnt ihr zu den neuen Fragen etwas sagen.
zum Versetzen des Decksteins brauchst Du natürlich eine Steinpresse. Richtig ausgeführt ist der Vorgang reversibel, Du kannst also nichts kaputtmachen. Es braucht in der Regel viel Kraft, weil die Steine 1/100 mm Übermaß haben. Nur durch Gebrauch oder Reinigung wird sich da nichts verändern. Aber das ist auch nur Fehlerbeseitigung, keine Fehlerbehebung. Mein Uhrenlehrer hat mir empfohlen, jede Reparatur unter dem Gesichtspunkt "Die Uhr hat jahrelang so funktioniert" zu betrachten. Wenn Du also eine fehlende/verlorene Unterlage unter dem Unruhkloben ausschließen kannst, muß der Fehler irgendwo anders liegen. Schau mal, z. B. ob die Deckplättchenschraube zu lang ist, und irgendwo streift.
Was das Höhenspiel angeht, ist "Gefühlssache" Messen kannst Du das schlecht. Höhenspiel soll vorhanden sein, aber möglichst wenig.
Tja, manchmal nehmen Dinge schon eine seltsame Wendung.
Ich gehe also daran den Zustand zum Messen/Erfühlen des axialen Unruh-Spiels herzustellen, lasse zunächst das Plättchen so lose wie es ist. Ich ziehe die Schraube des Unruhklobens nach, entsinne mich dabei der idiotischen Anzugkräfte beim Zerlegen und gehe beim Anziehen weiter als ich dies sonst je tue ... und siehe da, die Unruh nimmt zusätzliche Fahrt auf.
Die Endfeste der Schraube ist jetzt erstaunlich hoch, das Anziehen des Plättchens hat dann den Lauf nicht mehr groß beeinflusst. Die Unruh schwingt viel weiter durch, braucht dafür natürlich länger, die gute Abweichung auf der Waage war weg, ließ sich aber leicht korrigieren.
Es war nicht zu wenig, sondern zuviel Spiel.
Das sieht hier deutlich besser aus und ich weiß nicht recht, ob ich mir hier jetzt eine überziehen muss, so einfach wie das war. Das gibt mir echt zu denken ... Soviel Kraft in einer Uhr anwenden? Ist das überhaupt auf andere Werke übertragbar? Muss ich mich komplett neu kalibrieren lassen?
Eure Anregungen waren es, besonders der Rat das Spiel der Unruh zu prüfen. Danke an alle! Extra-Dank an Matthias!
Toll, dass es geklappt hat! Es kann aber auch sein, dass der letzte Dreh den Kloben vorne hoch und hinten fester nieder gedrückt hat (ist mir manchmal untergekommen).
Das ist mir bei meinen Russen zwar noch nicht untergekommen, aber evtl. ist ja ein Grat am Unruhkloben oder an der Platine vorhanden, der ersteren nach vorne kippen lässt. In der Regel waren die Uhrwerke dieser Generation recht gut verarbeitet und solche Fehler sicher eher selten, aber shit happens. Das feste Anziehen der Schraube würde ich wie Du auch als unangenehm empfinden. Daher mein Vorschlag: sieh Dir nochmal den Unruhkloben und die Platine an der Stelle an, ob dort Erhöhungen zu erkennen sind, die man evtl. vorsichtig entfernen kann.
Da ist wohl die Passung der Stifte zu eng. Wahrscheinlich geht dadurch der Kloben auch schwer ab. Das kann aber nur der Themenstarter beantworten. Ein bisschen Aufreiben der Passbohrungen kann das korrigieren.
Es mag auch sein dass das nicht-festes Anziehen der Schraube den Kloben schräg liegend liess. Also hat sich die bei der Unruhwelle liegende Höhe verringert. Was die Welle zwischen den beiden Deckplättchen einklemmte. Nur eine Idee...
Freundlicher Gruss von - Pierre L'Atelier de Madman - Horlogerie
die Runde, wie schön, dass ihr drangeblieben seid!
@carondeb das war auch exakt mein erster Gedanke, weil dies ja auch konsistent mit der Beobachtung beim Festschrauben des Decksteinplättchens gewesen wäre. Nach vorsichtigem Erfühlen am Unruhreif mit der Messingpinzette zeigt sich aber tatsächlich: Es war nicht zu wenig, sondern zuviel Spiel.
Vor diesem Hintergrund wirkt es tatsächlich kontra-intuitiv, dass das Verringern des Spiels durch Anziehen des Decksteinplättchens zum Stillstand geführt hat, ich (Laie!) erkläre es mir bis jetzt so, dass ich in dem Moment - die Unruhwelle stand ja auf ihrem obereren Zapfen - quasi einen Torkelzustand fixiert haben werde. Weitere Vorschläge werden gern entgegen genommen
@Jobatux der höhere qualitative Standard dieser Jahre ist auch meiner Ansicht nach anschaulich und greifbar, besonders wenn man ihn mit den fortgeschrittenen 80ern vergleicht, als sich die (natürlich mittlerweile demotivierten) Arbeiter ihre nicht mehr erhaltenen Löhne durch die Hintertür aus den Fabriken tragen mussten.
Vielen Dank für deine Bestätigung bezüglich der aufzubringenden Kräfte, ich bin mir gestern Abend schon ein wenig dumm vorgekommen. Ich nehme gleich nochmal die Unruh herunter, schaue sehr genau und berichte.
@kugellager dies wird sich zeigen, wenn ich gleich an den Kloben komme, werde genau darauf achten und ansagen.
@AtelierMadman auch das ist natürlich gut möglich, ich weise aber darauf hin, dass die Schraube auch vorher nicht schlapp angezogen war, sondern jetzt nur sehr viel stärker als ich es sonst für angemessen halte.
Schön, wenn man sich den Vorher-Nachher-Vergleich nochmal anschauen kann:
Der Schraubenschlitz ist etwa 30°, also eine Sechstel Umdrehung weiter, würde ich sagen, an der Tiefe über den Pass-Stiften sieht man das natürlich nicht, da es ja nur 17% einer Gewindesteigung weiter nach unten ging. Der veränderte Rücker repräsentiert die Kompensation des jetzt besseren Durchschwingens gegenüber vor der Reinigung.
So, es zeigt sich wieder einmal, dass die kombinierte Intelligenz und Erfahrung hier im Forum meist schon in die richtige Richtung weist.
Die Pass-Stifte passen passend, so, dass es passt - eng aber nicht zu eng, De- und Montage bieten das erwartbare Maß an Führung und Widerstand.
Auf der Unterseite des Klobens ebenfalls keine Auffälligkeiten.
Aber auf der Klobenmontagefläche der Platine entdeckt man genau einen Teil der hier bereits vorgeschlagenen Möglichkeiten. Die ungleichmäßige Verteilung der Körnermarken und weiteren "Modifikationen" scheinen mir eher auf spätere Justier-/Reparaturhandlungen hinzudeuten, als nämlich ein vermutlich mal vorhanden gewesener Shim schon verloren gegangen war, nicht auf den Auslieferungszustand. Nicht nur wegen der Zeitperiode, sondern auch weil die Sportivnie damals noch einen Tuff höher angesiedelt war, wenn ich das richtig verstanden habe.
Hiermit bin ich jetzt aber auch am Ende meiner Fototechnik angelangt:
Habe wieder eine Menge gelernt, z.B. besser hinzusehen, aber auch, mir mehr zuzutrauen und wie immer: keep it simple, stupid - denn eigentlich hätte ich schon in der Lage sein sollen die Ursache nicht gleich dort anzunehmen, wo ich mich nicht auskenne, sondern erstmal nach Gründen zu suchen, die sich durchaus innerhalb meines Erfahrungsbereichs befinden.
Ich danke euch allen sehr, habt einen schönen Abend, Gruß
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15.06.2020 17:03
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überziehen muss, so einfach wie das war. 
