So etwas habe ich auch noch nie gesehen. Bei einem Minutentrieb einer Bulle-Clock befindet sich an einem Ende eine Querbohrung, durch die ein Stift geschoben wird, der der Zeigerreibung die nötige Vorspannung gibt. Offensichtlich ist aber der Stift so feste eingeschlagen worden, dass die komplette Welle von vorne bis hinten der Länge nach (!) gerissen ist. Bilder habe ich keine, da man den Riss tatsächlich nur mit der Lupe erkennen kann. Dummerweise ist der vordere Teil der Welle, der Zapfen, auf dem der Minutenzeiger sitzt, abgebrochen. Vielleicht hätte ich das sonst gar nicht gesehen. Eventuell ist das genau durch den Längsriss passiert, denn der Bruch hat eine Stufe in der Mitte. Zunächst wollte ich diesen langen Zapfen wieder einbohren, aber das kann ich mir schenken, denn das Eintreiben der Zapfenergänzung hätte die Welle komplett zerrissen.
Blöd nur, dass auf der Welle ein Stahltrieb sitzt, quasi das Viertelrohr. Und weiter blöd: Das ist eine wirklich ziemlich seltene Uhr, nicht die 08/15-Bulle-Clock. Dann nämlich wäre sie ein Fall für den Schrott, oder ich hätte noch ein E-Teil. Also Welle neu bauen
Frank
PS: Eine normale Bulle-Clock hätte dieses Teil nur als simples Drehteil!
Habe mich mal an einem Bild versucht, um die Katastrophe aufzunehmen. Man sieht den Spalt auf der linken Seite im Vierkant, an der Bruchkante, außerdem auch am rechten Teil. Leider geht der Spalt auch durch das Trieb, das also neu muss. Außerdem hat der Zapfen ganz rechts auch den erkennbaren Spalt.
Kein Lagerschaden. Das wäre auch das kleinste Problem gewesen. Aber die Bulle-Clocks sind elektrisch, daher ist das Räderwerk eigentlich nur ein Zählwerk ohne Kraft.
Du hast Recht, ich habe die Sache auch erst geglaubt, als ich das gesehen habe.
Das ein quer eingeschlagener Stift einen solchen Schaden verursacht ist IMHO sehr unwahrscheinlich. Meine Vermutung ist, dass der Schaden schon vor der Fertigung im Rundmaterial vorhanden war. Sowas wurde mir auch schon "untergejubelt". Muss mal sehen, ob ich das für ein Foto noch finde.
Zitat von Willy im Beitrag #5Das ein quer eingeschlagener Stift einen solchen Schaden verursacht ist IMHO sehr unwahrscheinlich. Meine Vermutung ist, dass der Schaden schon vor der Fertigung im Rundmaterial vorhanden war.
Ganz genau, das war auch mein erster Gedanke! Ich vermute stark dass das Material schon Vorschäden hatte, den alleine der Stift kann fast unmöglich solch einen Schaden verursachen, vorher bricht es oben wo der Stift eingeführt wird ab. Habe nochmal das Bild etwas vergrößert.
Gruß Hanspeter
Augenwender
hat folgende Bilder an diesen Beitrag angehängt
Das mit dem Vorschaden glaube ich gerne. Man sieht ja bei fast jeder wirklich alten Uhr vor dem Minutenzeiger einen Querstift, der Zeiger und Scheibe auf der Minutenwelle hält. Und so ein Schaden hatte ich da noch nie, und ich habe da schon viele Uhren zerlegt gehabt.
Das Teil ist jetzt ausgemessen und wird gerade neu angefertigt. Das Trieb werde ich wohl aus Messing fertigen und aufpressen, denn zu halten hat das nichts. Eingriff in Wechselrad und von da aus ins Stundenrad.
Weil das eine so seltene Uhr ist, werde ich sie nach Fertigstellung mal hier vorstellen. Bulle-Clocks gibt es ja viele, immerhin sind mehr als 300.000 gebaut worden. Aber so einige sind wirklich selten. Diese ist eine Reiseuhr, und man kann das Pendel(chen) mit einem einfachen Hebel zum Transport feststellen. Die ganze Uhr ist vollkommen anders gebaut, als man das von ihnen gewohnt ist, hat aber einige charakteristische Bauteile wie den Kontaktanker. Aber dazu später mehr.
Es geht weiter, denn die Minutenwelle ist gebaut. So ganz banal war sie nicht, denn sie ist kein reines Drehteil. Ein Vierkant, 2 Querbohrungen, eine davon 0,3mm, das Trieb. Einige Maße habe ich an meine Bedingungen angepasst, z. B. dass ich den gedrehten Ansatz in einer passenden Spannzange fassen konnte. Das Trieb ist nun aus Messing und aufgepresst.
Hier die Skizze, die ich mir vor so einer Anfertigung immer mache. Nichts ist maßstabsgerecht, aber man kann damit arbeiten.
Jetzt kommt die Uhr, zu der das Trieb gehört(e): Es handelt sich um eine Bulle-Clock als Reiseuhr.
Um 1938 gebaut, wurde wohl in einer sehr kleinen Serie ein Werk hergestellt, welches als Reiseuhr zu verwenden ist. Im Vergleich mit den Clockettes und den großen Bulle-Clocks gibt es einige Änderungen, aber es handelt sich in jedem Fall um eine Bulle-Clock.
Im Vordergrund sieht man das Hebelwerk, mit dem man das Pendel festsetzen kann. Außerdem wird mit dem Hebel automatisch die Spannung ein- und ausgeschaltet. Das Uhrwerk ist recht klein, der Durchmesser beträgt gerade mal 6cm. Einige Muttern haben eine Schlüsselweite von gerade einmal 3mm, die Sache ist bei der Montage also recht knifflig.
Das Räderwerk unterscheidet sich von den normalen Bulle-Clocks darin, dass es keine Schneckengetriebe gibt, sondern ein normales Stirnradgetriebe, wie z. B. bei ATO.
Das ersetzte Trieb sieht man in der Mitte. Im Gegensatz zu ATO oder ähnlichen Uhren ist aber kein Kontakt mit der Sperrklinke oder dem Klinkenrad verbunden, sondern hier gibt es wieder den bewährten Kontaktanker. Allerdings ist er wesentlich kleiner, als man das von den anderen Bulle-Clocks kennt.
Hier ein Vergleich mit einem Ersatzanker aus meinem Lager.
Eine Isochronismusfeder ist auch vorhanden, allerdings kürzer und mit größerem Durchmesser als normal. Die Aufhängung der Feder ist wieder ganz konventionell, mit den Bulle-typischen Röllchen und Stahl-Endkappen. Eine Textil-Pendelfeder gibt es aber nicht, denn dann könnte man die Uhr nicht transportieren. Das Pendel hat Zapfenlager.
Das Gehäuse benötigt noch eine Aufarbeitung, daher gibt es demnächst noch ein Bild. Das Vorher-Bild in schlechter Qualität zeigt die Uhr noch komplett.
Die Uhr läuft nun auf einem Probierständer und macht jetzt Bulle-Clock typisch eine ordentliche Amplitude.
Schöne und interessante ( sicher sehr selten ) Uhr, als Reiseuhr - was es nicht alles gab... Hab ich so auch noch nicht gesehen ( bin aber auch mehr der Brillie Liebhaber ).
Frank
Ich kann von allen ein bissel was - aber nüscht richtsch
So, jetzt ist die Uhr endgültig zusammen und auch mit einer netten Zelle versehen. Der Name "Titania" ist bei der kleinen Zelle eigentlich ein Witz. Leider kommt der Glanz der Lackierung nicht so gut heraus wie bei dem Original, aber so wird auch der Fehler oben auf der Uhr etwas gemildert. Dort musste ich mit Holzwachs einen Lackschaden kaschieren. Redenfalls ist meine Holzreparatur reversibel, vielleicht hat ja jemand eine bessere Idee. Das Gehäuse ist nicht furniert, sondern mit Bierlack gestrichen und dann poliert. Diese Politur ist mittlerweile rissig, was aber ein eigenes Flair gibt. Unter dem Zifferblatt befindet sich ein Fensterchen, dort kann man das Pendel sehen. Eine schöne Tischuhr.
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03.01.2020 20:08 (zuletzt bearbeitet: 03.01.2020 20:10)
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