Bei den derzeitigen Preisen für Standuhren, also gezahlten Preisen, nicht annoncierten Preisen, kann ich oft nicht widerstehen. Diese hier, alles wunderbar original und gut erhalten, technisch einwandfrei (der Gang einige Sekunden pro Woche nach einem Service) lief mir Anfang dieses Jahres quasi zu. Für 700,--, einschließlich Transport per Spezialkurier. Man überlege, eine 250 Jahre alte Antiquität in Bestzustand für den Preis eine Schrottsofas beim Möbeldiscounter.
Der Uhrmacher "provincial" (englisch) und der Stil eher an Londoner Uhren um 1720 erinnernd.
Hallo Bernhard J, ich muss vorwegschicken, hinsichtlich Uhren praktisch ahnungslos zu sein. Dennoch oder gerade deswegen möchte ich fragen, ob sich die Jahres- und Altersangaben nur auf die Uhr im engeren Sinne beziehen oder auch für das "Möbel" oder Teile davon gelten.
"mahagoni-Standuhr aus dem 18. Jahrhundert von John Wood aus Grantham (bekanntlich tätig von 1753-1797)"
Ob das Gehäuse original ist? Ab 1750 war die Uhrproduktion in England schon fast industriell., d.h. Werkgrössen, Zifferblattabmessungen waren recht ähnlich, die Teile wurden von unterschiedlichen Werkstätten hergestellt und konnten auch ausgetauscht werden. Eine schöne "English Country Grandfather Clock".
Ob Werk und Gehäuse zusammen gehören (also beim Erstkäufer bereits zusammen waren) kann eigentlich nur sehr selten mit Sicherheit gesagt werden.
Ich vermute daher bei meiner Wood Uhr nur, dass auch das "Möbel" original ist und es sich nicht um eine der vielen Mariagen handelt. Mariagen erkennt man meist daran, dass irgendwie immer irgendwas nicht "passt", denn die wenigsten "Hochzeitsvermittler" machten und machen sich die Mühe einen Uhrenkasten perfekt auf ein vorhandenes Werk/Ziffernblatt umzubauen. Und selbst wenn, dann müßten die Umbauten auch noch perfekt "gealtert" werden, um nicht ins Auge zu fallen. Ältere Marriagen sind oftmals auch eher schlicht sich wandelnden stilistischen Moden (oder auch dem Holzwurm) geschuldet, der Besitzer hat sich dann ein neues Gehäuse machen lassen und das alte Gehäuse wurde praktisch nie aufgehoben. Wenn das gut gemacht wurde, dann kann nur eine stilistische Analyse auf ein "Recase" hinweisen.
Beispielsweise meine John Grant Bracket Clock ist mit einiger Wahrscheinlichkeit ein "Recase", denn das Werk ist klar von ca. 1790-1800, während der Stil des (perfekt passenden) Gehäuses eher auf 1820-1830 zu datieren wäre. Oftmals gingen damals Gehäuse auch einfach durch Sturz irreparabel kaputt, während das Werk noch gerettet werden konnte (Katzen, Kinder, etc.).
Keineswegs selten sind übrigens Mariagen auch für Werk und Ziffernblatt. Oftmals wurden Zifferblätter von 30 Stunden Werken an 8 Tage Werken montiert und dazu u.a. die Aufzugslöcher ins Ziffernblatt gebohrt (die 30 Stunden Werke hatten keine Aufzugslöcher im Ziffernblatt). Auch hier muss man genau schauen, ob es Hinweise darauf gibt, dass das Ziffernblatt hierzu umgebaut wurde, beispielsweise durch versetzte Ziffernblatt-Pfeiler oder ein "False plate" wo keine hin gehört. Ein weiteres "Indiz" kann sein, dass die Aufzugslöcher willkürlich durch ein Gravurmuster schneiden, während originale Aufzugslöcher gerne mit einem Ring versehen waren und die Gravur darum herum ging bzw. sie quasi ins Muster integrierte. Aber auch das ist nur eines von mehreren möglichen Indizien, denn es sind auch Fälle bekannt, wo offenbar zunächst das Ziffernblatt graviert wurde und der Uhrmacher es später für ein 8-Tage Werk verwendete und folglich Löcher bohren mußte, wo es das Werk erforderte und nicht das Gravurmuster.
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24.04.2023 16:07 (zuletzt bearbeitet: 24.04.2023 16:10)
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