Hallo alle zusammenDSC_0238.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)

Ich habe vor ein paar Tagen ein altes Siemens Uhrwerk inklusive Pendel ergattern können.
Ganz beiläufig und wie selbstverständlich erklärte mir der Verkäufer, der sich mir als Werkzeugmacher vorstellte, das die Pendelstange nicht aus Invar Stahl, sondern ein ganz gewöhnliches Eisen sein. Das mit dem Invar Stahl sei aufgeblasenes Zeug und ein reines Verkaufsargument. Die Längenkompensierung erfolge über oder mittels der 2 ineinander geschobenen Aluminiumröhrchen welche sich im rückwärtigen Teil der Pendellinse befinden.

Nun bin da leider kein Fachmann, konnte das zwar nicht widerlegen, glaube es aber trotzdem nicht. Ich meine auch in einer alten originalen Bedienungsanleitung vom Begriff Invar gelesen zu haben. Allerdings keiner Siemens Uhr, sondern einer baugleichen „Elfema“ aus der DDR.

Nun habe ich natürlich sofort das Pendel zerlegt und hänge das Foto davon hier dran. Ich frage mich allerdings schon, was es mit dieser Konstruktion auf sich hat, denn man könnte ja in der Tat die Linse viel einfacher mit dem Stab verbinden.

Ich bin da ziemlich ratlos aber doch sehr neugierig und deshalb frage ich einfach mal in die Runde…..

Hallo Michael,

ich glaube der Werkzeugmacher hat von Stahllegierungen vermutliche keine Ahnung. Ich habe dies hier beim googeln gefunden.

INVAR ist eine spezielle Nickel-Eisen-Legierung, die sich dadurch auszeichnet, dass sie sich bei Temperaturänderung so gut wie gar nicht verformt. Die Legierung besteht zu 64% aus Eisen und zu 36% aus Nickel. Der Name ergibt sich aus INVARrianz (invariabel = unveränderlich). Guillaume entwickelte diese Legierung im Jahr 1896 und erhielt dafür den Nobelpreis in Physik im Jahr 1920 als "Anerkennung seiner Verdienste auf dem Gebiet der Präzisionsmessung in der Physik und für seine Entdeckung der Eigenheiten der Stahl-/Nickelverbindung". Guillaume verbesserte die Legierung noch. Diese Verbesserung wird "Elinvar" genannt.
Diese Legierung ist ideal geeignet zur Verwendung in Uhren. Uhren mit dieser Legierung zeichnen sich durch besonders hohe Ganggenauigkeit aus. Diese Legierung fand und findet noch heute sowohl in Armband- und Taschenuhren wie auch bei Pendeluhren Verwendung.

Gruß
Hanspeter

Wenn sich der Begriff "Invar" nicht auf das Material, sondern auf den Aufbau des Pendels bezieht, dann stimmt er ebenfalls. Ein kompensiertes Pendel ist invariant, und somit ein Invar-Pendel.
Vielleicht ist das eine Erklärung.

Hallo Michael,
der Stab deines Pendels ist aus Invar gefertigt und hat, im Vergleich zu normalen Stahl, nur eine sehr geringe Temperaturvarianz. Trotzdem verlängert bzw. verkürzt sich das Material bei Temperaturänderungen. Um diese Veränderungen auch noch auszugleichen ist in der Pendelscheibe zusätzlich noch eine Temperaturkompensation eingebaut die an den Ausdehnugskoeffizienten des Invarstabes angepasst ist. Für ein anderes Material ist diese Kompensation nicht zu gebrauchen, für einen normalen Stahlstab z.B. wäre sie viel zu schwach ausgelegt.
Hier findest Du dann noch ein Paar Hintergrundinfos zu dem Thema:
https://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%A4rmeausdehnung
https://de.wikipedia.org/wiki/Ausdehnungskoeffizient -> da gibt es auch eine Vergleichstabelle von verschiedenen Materialien.

lg Christian

Vielen Dank für die Antworten. So in etwa hatte ich mir das auch gedacht. Ich wüsste nur noch gerne, wie diese Kompensation mittels der Röhrche funktioniert. Oder kann man das irgendwo nachlesen?

Ganz simpel erklärt, lagert die Pendelscheibe auf dem kurzen Rohr, das Rohr selbst liegt auf der Reguliermutter auf, die Mutter selbst ist ja mit dem Invarstab verbunden (Gewinde).
Wenn der Stab sich durch Wärme ausdehnt, wird er länger und das Pendelgewicht geht nach unten, im gleichen Maße verlängert sich aber das Rohr, welches die Pendelscheibe wieder hebt.
Daher gleicht sich die Länge wieder aus.
Je nach Material des Rohrs (Aluminium) und Pendelstablänge, hat das kurze Rohr eine berechnete Länge, darf also nicht verändert werden.
LG Thomas

Besten Dank an alle, besonders an masterpiece. Jetzt ist die Sache glasklar und auch in sich logisch. Bin mal wieder etwas schlauer geworden.....

Ein Werkzeugmacher der keine Ahnung von Stahllegierungen hat, erscheint mir sehr fragwürdig.
Wenn die Längenabbildung der Pendelstange und des Kompensationsrohres in der Realität im gleichen Verhältnis wie auf dem Foto dargestellt sind, wäre das " Invarpendel" vermutlich überkompensiert!!!!!
Ich tippe daher auf Stahl. Kannst du aber einfach ausrechnen, wenn du beide Wärmeausdehnungskoeffizienten recherchierst.
Die Ausdehnung des Pendelstabes sollte dann die annähernd gleiche Ausdehnung haben, wie die des Aluröhrchens.
Stahl 11,7, Alu 23,8 oder einfacher.... ist dein Aluröhrchen knapp halb so lang wie deine wirksame länge des Pendelstabes, handelt es sich mit Sicherheit nicht um eine Invarstange.

LG

Ich habe mal gemessen. Das Alu-Rohr ist 12cm lang, die wirksame Pendellänge 66cm. Also ist das Verhältnis 1:5,5. Käme also auch nicht bei hirmalen Stahl hin. Bedenken sollte man vielleicht auch die Ausdehnung der Pendellinse.
Vielleicht weiß hier jemand, ob Invar magnetisch ist, diese Stange vom 3/4 Pendel ist es. Ich kann es aber morgen an der Sattler-Uhr im Geschäft testen.

LG Thomas

Habe mich vielleicht falsch ausgedrückt:
Wirksame Pendellänge= reduzierte Pendellänge
....diese liegt oberhalb des Schwerpunktes deiner Linse!!!
Invar hat einen Ausdehnungskoeffizienten von 1,7 bis 2,0!!!
Bei deinem Pendelstab handelt es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um kein Invarpendel, wenn dein Kompensationsrohr aus Alu ist.
Rechenbeispiel:
660 mm X 0,000002= 0,00132mm Ausdehnung Invar bei 1° C ( 0,000002 schlechtester Wert Invar)
660 mm x 0,000001= 0,00066mm Ausdehnung Invar bei 1°C
Länge Kompensation:
0,00132: 0,000023= 57,4 mm Alu- Kompensation
0,00066: 0,000023= 28,7 mm Alu- Kompensation
Dies ist eine vereinfachte Rechnung und dient lediglich zur Annäherung.
Nun ist dein Alurohr 120mm lang!
Bei 1° Temperturänderung:
120 x 0,000023= 0,00276 mm Längenänderung bei 1° C entspricht 2- 4 facher Ausdehnung einer Invarstange!!
0,00276: 660= 0,00000418
Dein Stab hat somit einen annähernden Ausdehnungskoeffizienten von 4-5.....ich tippe vorsichtig auf eine Nickelstahllegierung...aber kein Invar ( Nickelstahl mit 36% Nickelanteil)
Hat denn keiner eine Info, welches Material in Frage kommt???


LG

Ich habe ja auch nicht die Pendellänge oder wirksame Pendellänge gemeint. Meinte eher die Länge des Stabes. Darum geht es ja und nicht um die Pendelfrequenz. Und die wirksame Länge für die Wärmeausdehnung ist die vom oberen Anfang bis zur Auflage der Pendellinse (Reguliermutter). Hab auch nicht behauptet, dass es sich um Invar handelt. Denke aber auch, dass die ganze Rechnung auch nicht mit Stahl oder Nickel aufgeht.
Ich hab die Info, dass Invar einen AK von 0,55 bis 1,2 hat....
Wir wissen auch nicht, ob das Rohr wirklich nur aus einfachen Alu ist, bloß weil es so aussieht...

LG Thomas

PS: Habe soeben an unserer Secunda von Sattler den Pendelstab auf Magnetismus geprüft. Volle Kanne magnetisch! Also kann man die Prüfmethode ausschließen, um Invar vom normalen Stahl zu trennen...

Cooler Verkäufer . Hoffentlich hast Du Michael wie für normales Eisen bezahlt , und kein Cent mehr . Scherz .
--
Magnetismus spielt im "Invarstahl" entscheidende Rolle .
LG
Alexander
PS
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Kovar

Diesen Thread
wärme ich nochmal auf, da ich immer noch hoffe, genaueres
zum Pendel der HU10 zu erfahren.
In einer Unterlage von Siemens (1958) ist von verschiednen
Pendeln die Rede
- Siemens Stahlstabpendel
- Rieflerpendel
- Holzpendel.
(Für die HU10 1/1 gab es sogar Riefler Klasse I und II)
Ich gehe davon aus, daß diese Riefler-Pendel aus Invar
waren, nicht aber die "Siemens Stahlstabpendel".
Für alle, die - erstaunlich in einem solchen Forum -
nicht wissen, was ein Kompensationspendel ist,
hier ein Link:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kompensation_(Uhr)#Rostpendel
Kuewalda liegt also völlig richtig, nur eine Kleinigkeit hat
er übersehen, in dem Siemens-Pendel gibt es zwei
inenandergreifende Alu-Rohre und einen Stahl(?)-Bügel.
Das macht die Rechnung noch komplizierter, aber es bleibt
dabei, mit Invar wäre das Pendel hoffnungslos überkompensiert,
für Stahl scheint es knapp zu sein.
Ob der Stab Kovar ist?
Gruß
Georg

Na,
da das Thema wohl niemand mehr interessiert, packe ich die
aktuellen "Meßergebnisse" meines Siemens Stahlstabpendels
weg.
Tschüs denn