Beim Aufräumen kam in der hintersten Regalecke ein Gerät zum Vorschein das im Laufe der Jahre in Vergessenheit geraten war.
Die Zeitwaage Progretta 61, Typ 526.
Eine der ersten Zeitwaagen in Röhrentechnik nach dem Zweiten Weltkrieg, gebaut Anfang der 50er Jahre und damals vertrieben von der Firma Engelkemper.
Nach dem Einschalten dauert es einen Moment bis die Röhren warm werden. Eine durch den Steuerquarz konstant gehaltene Frequenz betreibt einen Synchronmotor mit der auf der Welle befindlichen Schlitzscheibe. Die Ganggeräusche der Uhr werden durch das Bändchenmikrofon aufgenommen, dem Verstärker zugeleitet und durch den Bändchenlautsprecher wiedergegeben. Die hinter der Schlitzscheibe montierte und sich mit dieser drehende Neonglimmlampe erhält gleichzeitig über einen Impulsumformer solche Stromstöße, daß diese Lampe entsprechend den Uhrschwingungen aufleuchtet. Es entsteht ein Stroboskopeffekt.
Bei richtig justierter Uhr erscheint der Lichtblitz immer an der gleichen Stelle.
Geht die Uhr zu schnell, wandert das Lichtzeichen nach rechts, geht sie zu langsam wandert es nach links. Fehler des Räderwerks und der Gangpartie wirken sich auch auf die Lichtzeichen aus, können also ebenfalls abgelesen werden.
Nachdem das Gerät ein wenig sauber gemacht wurde habe ich es angeschlossen und - es funktioniert noch einwandfrei. Ob allerdings der Quarz nach fast sechzig Jahren noch die ursprünglichen Werte hat wage ich zu bezweifeln.
Jedenfalls ist diese Zeitwaage ein schon museales Zeugnis der Uhrentechnik
Zitat von PhalosDu solltest auf jeden Fall diee alten Kondensatoren gegen neue austauschen! Sonst geht dir irgendwann das ganze Gerät durch Leckströme kaputt.
Genau das werde ich natürlich nicht machen. Das ist eines der Geräte die sehr selten geworden sind und in ihrer Originalität erhalten werden sollten. Vor Jahren habe ich damit einen ganzen Tag experementiert. Halten die alten Bauteile locker aus. Ein wenig Ahnung hat unser einer von Elektronik auch, speziell diese Teile aus den 50er Jahren sind mir durch Radiobasteln, Sender bauen und vielem anderen bestens bekannt.
Das ist ein sehr schönes Stück Zeitgeschichte und erinnert mich daran als ich als Kind die ersten Röhrenradios zerlegt habe weil ich unbedingt draufkommen wollte wo denn da die Musik herkommt. Die Idee mit dem Stroboskopeffekt kenn ich sonst nur von alten Plattenspielern zur Geschwindigkeitseinstellung. Gib Ihr einen schönen Platz, das ist echt ein Stück Technologiegeschichte.
Hallo zusammen, Schön zu wissen daß nicht alles alte den Weg zum Müll geht!!! Eben mit dem Spruch"Wat willse mit dem ollen Schrott, dat brauchen wir nie mehr". In der Tat ein interessantes Stück mit technikhistorischer Bedeutung, Astrolab hat ja schon die korrekte Funktionsbeschreibung hier gepostet. Scheinen teilweise noch Vorkriegsröhren drin zu sein. Natürlich können moderne Zeitwaagen mehr, ob sie dem normalen Uhrmacher auch mehr nutzen bezweifle ich ein wenig. Zum Einwand in diesem Gerät alle Kondensatoren zu ersetzen möchte ich noch etwas sagen. Vom elektrotechnischen Standpunkt her gesehen ist das völlig korrekt, ansonsten steigt bei altersbedingten Isolationsmängeln der Gitterkondensatoren der Anodenstrom der betreffenden Röhre bis in die Puppen bis das Anodenblech glüht. Ob man diese Röhren noch ohne weiteres bekommt ist nicht sichergestellt. Auf der anderen Seite steht die Ansicht, etwas altes, funktionsfähiges nicht mit modernen Einzelteilen zu reparieren. Falls man das Gerät nicht benutzt ist das auch völlig in Ordnung. Man sollte sich aber des Risikos bewußt sein. Alternativ könnte man die Kondensatoren austauschen und die ausgewechselten alten Ko`s mit einer kleinen Dokumentation der durchgeführten Arbeiten im Gerät deponieren. Nur so als Gedanke. Als Uhrmacher arbeite ich mittlerweile mit einer auf Papier schreibenden Timomat-Zeitwaage. Aber ich habe sehr viele Jahre auch mit einer Greiner Chronographic (Funkenschreiber) meine reparierten Uhren reguliert. Dieses Gerät existiert funktionsfähig und ich werde es auch nicht weggeben. Bestimmt kommt bald jemand um die Ecke und erzählt mir daß man mit so nem ollen Geraffel keine moderne Uhr regulieren kann. Man könnte sehr wohl, sofern man die Walzendrehzahl in den verschiedenen Schlagzahleinstellungen kennt. Und natürlich, zehnfache "Lupe" hat so ein Gerät nicht, auch keine numerische Anzeige der Unruhamplitude. Man muß eben auch sehen welche Uhren damit um 1950 reguliert wurden, in der Provinz wurden dem ortsansässigen Uhrmacher häufig völlig ausgemergelte Cylindergurken untergejubelt: "Ist noch von Onkel Hugo, der hat nie was billiges gekauft". Und wenn der Reparaturpreis 20 DM überschritt wurde im Laden gejault wie ein blaugeschlagener Hund. vollkommen egal welche reparaturtechnische Arbeitsleistung dafür erbracht wurde. Und ich denke daß für die Erstanschaffung einer Zeitwaage sehr viele solcher Hugo-Uhren repariert werden mußten. Von daher genießen solche alten Geräte bei mir Hochachtung, dem Erbauer und dem Erwerber. Gruß Werner Der noch keine "Goebbelsschnauze" geschlachtet hat
Wie im zweiten Teil über diese Zeitwaage, der allerdings mehr der Herstellerfirma gewidmet ist, zu lesen ist, war der Preis 1956 mit 500 Euro so hoch das viele Uhrmacher seinerzeit auf dieses "Werkzeug" verzichten mußten.
In der Tat würden diese Zeitwaagen auch heute noch zufriedenstellend funktionieren, wie Du ja schon bemerkt hattest. Ich selber habe damit vor Jahren verschiedene Uhren unter eine Sekunde Abweichung pro Tag justieren können. Heute hat sie ihren verdienten "Ruheplatz" im Regal und wird deshalb natürlich nicht mehr "umgerüstet".
Zu der Göbbelschnautze: Dieses "Schlachten" war natürlich eine Jugendsünde. Dafür könnte man sich heute ein schönes Ührchen kaufen. Bitte keine politischen Statements Victor
Hallo Rolf, Das mit der "Goebbelsschnauze schlachten" war von mir als Spaß gemeint, natürlich denkt man als reifer Mensch anders über begangene Jugendsünden. Ja, leider ist heute alles was mit WK.2 zu tun hat meist völlig überteuert, man sieht es ja auch bei den Uhren aus dieser Zeit. Wobei mich als Uhrmacher die Technik interessiert und nicht die militärische Herkunft. Im Nachbarforum hatte ich diesen Beitrag gesehen:http://uhrforum.de/zeitwaage-progretta-6...-kappler-t83236 Gruß Werner
Ich habe da auch wirklich nicht an dich gedacht bei meiner Bemerkung über die "Braunen". Bitte keine politischen Statements - Victor Ich bin mit deiner Bemerkung über die Technik voll auf deiner Seite. Borduhren z.B. gehen ja in der Qualität aufgrund von hochwertigen Echapments und Räderwerken weit über ihre Bestimmung hinaus und stellen in dieser Hinsicht so manche empireüberladene Uhr in den Schatten.
Hallo Rolf, Hatte diese Bemerkung über diese *** auch nicht auf mich bezogen empfunden. Zeitwaagen sind eine der besten Neuerungen in der Uhrmacherei seit Ben Hur. Falls es interessiert, vor der flächendeckenden Einführung von Zeitwaagen haben Uhrmacher oft mit der "Koinzedenzmethode" Uhren reguliert. Leider glauben manche Uhrmacher daß eine moderne Zeitwaage mit allem erdenklichen Schicki-Micki ein besseres Gangergebnis der reparierten Uhr bringen. Das ist ein Trugschluß, die heutigen Zeitwaagen zeigen noch deutlicher etwaige verbliebene Mängel nach der Reparatur, falls man deren Möglichkeiten voll nutzt. Eine Uhr (Speziell ältere Uhren mit "Betriebsjahrzehnten") muß erstmal gründlich durchrepariert werden und mechanisch tadellos in Ordnung sein um ein langzeitstabiles Gangergebnis zu erreichen. Und ausschließlich dieses Gangergebnis würdigt der Kunde oder eben manchmal nicht falls seine Uhr nach der Reparatur wie ein Sack Nüsse läuft. Gruß Werner
Hallo Werner, Ja, die Koinzedenzmethode ist ein bekannter Begriff und verlangte vom Uhrmacher etwas mehr Grips als heute das relativ einfache Ablesen der Zeitwaagenwerte. Ich hatte vor einiger Zeit in einem Nachbarforum über eine technische Vorstellung von mir geschrieben die mehr und exaktere Möglichkeiten der Fehleranzeige im gesamten Werk bringen müßte, eine Art Meßtischplatte mit einer speziellen Anordnung von Richtmikrophonen die das eine, normale Mikrophon bei Zeitwaagen ersetzen könnte. Bin da allerdings auf Unverständnis gestoßen. Wegen mangelnder Vorstellungskraft oder wegen der den Uhrmachern oft anhaftenden mangelden Aufgeschlossenheit neuem gegenüber. Ich weiß es nicht. Mir macht es jedenfalls immer Laune Uhren tagelang an meiner simplen Waschke PC - Zeitwaage laufen zu lassen und dann die Protokolle mit Aufzeichnungen von Barographen und Thermographen zu vergleichen. Man sieht da wunderbar die Unterschiede der einzelnen Unruh - Kompensationen. So eine "Spielerei" macht aber wahrscheinlich nur der Laie, der mit seiner "Uhrmacherei" nicht seine Brötchen verdienen muß.
Hallo Rolf, Kannst du den Link zum Thread posten? Was die mangelnde Aufgeschlossenheit vieler Uhrmacher neuen Dingen gegenüber angeht, es stimmt leider. Natürlich nicht alle und nicht jeder. Mal als Beispiel: Pivofix gegenüber dem alten Verfahren mit handgeführter Rollierfeile auf dem Zapfenrollierstuhl. Ich habe absolut nichts gegen Zapfenrollieren von Hand, habe es selbst viele Jahre praktiziert. Und ich ziehe den Hut vor dem, der dies wirklich beherrscht! Nur wenn man sich manchen nachgearbeiteten Zapfen genauer ansieht fragt man sich schon, wer das wohl verzapft hat. Und schon hat der Zapfen zweimal Material verloren, das erstemal beim Leichtmatrosen und das zweitemal beim Uhrmacher. Der natürlich keine Uhr mit mangelhaften Zapfen wieder zusammensetzt. Einen schönen Sonntag wünscht Werner
Zitat von uhrologeHallo Rolf, Kannst du den Link zum Thread posten? Was die mangelnde Aufgeschlossenheit vieler Uhrmacher neuen Dingen gegenüber angeht, es stimmt leider. Natürlich nicht alle und nicht jeder. Mal als Beispiel: Pivofix gegenüber dem alten Verfahren mit handgeführter Rollierfeile auf dem Zapfenrollierstuhl. Ich habe absolut nichts gegen Zapfenrollieren von Hand, habe es selbst viele Jahre praktiziert. Und ich ziehe den Hut vor dem, der dies wirklich beherrscht! Nur wenn man sich manchen nachgearbeiteten Zapfen genauer ansieht fragt man sich schon, wer das wohl verzapft hat. Und schon hat der Zapfen zweimal Material verloren, das erstemal beim Leichtmatrosen und das zweitemal beim Uhrmacher. Der natürlich keine Uhr mit mangelhaften Zapfen wieder zusammensetzt. Einen schönen Sonntag wünscht Werner
Hallo Werner,
Der von mir angesprochene Thread ist zu zerissen und gibt meine Idee nur unvollkommen wieder. Der Hintergrund sind Kenntnisse aus der Zeit wo ich mich eingehend mit der Ton - Aufnahmetechnik, theoretisch und praktisch befaßt habe. Die Mikrophone der Zeitwaagen arbeiten hauptsächlich nach dem Körperschallprinzip und geben deshalb nur ein begrenztes Frequenzspektrum wieder. Geräusche von Fehlern im Uhrwerk die außerhalb dieses Spektrums liegen werden nicht erfaßt und können somit auch nicht erkannt werden. Die Idee war nun über dem Werk eine Reihe von hochwertigen Meßmikrophonen mit dem erforderlichen Frequenzgang anzubringen, wo jedes Mikrophon nur einen kleinen Teil des Uhrwerkes erfaßt und diese Daten dann einem Frequenzanalyzer zu zuführen. Die Konstruktion und die erforderlichen Testreihen wären aber finanziell so aufwendig das die Entwicklung dieser Idee nur von einer größeren, potenten Firma durchgeführt werden könnte um dann letztendlich ein Gerät hervorzubringen was den einzelnen Uhrmacher nicht überfordert. Einem solchen Gerät steht allerdings die Meinung der meißten Uhrmacher entgegen mit ihren hergebrachten Zeitwaagen ausreichend über die Fehler in Uhren angezeigt zu bekommen.
Zum Rollieren: Ich hab mich in der Tat schon öfter gefragt wie es beim Zapfenpolieren von Hand um die immer wieder vom Uhrmacher geforderte Präzision bestellt ist. Eine lineare Meßgenauigkeit kann ja mit von Hand geführter Rollierfeile auch bei allem Können nicht erreicht werden, und das bei einem uhrentechnischen Detail, der Zapfen - Lagerkombination, das für die Langzeitlaufstabilität so entscheidend ist. Natürlich sind Maschinchen wie die Pivofix relativ teuer - nur - ich als Laie bin davon überzeugt das ein Uhrmacher der weiterhin in der Zeit der immer präziser werdenden Uhrwerke bestehen will, dies nicht mehr mit den Werkzeugen des Großvaters bewerkstelligen kann, die in seiner Zeit ausreichten, wo jedes Taschenuhrwerk z.B. noch große Fertigungstoleranzen aufwies. Bei modernen ETA - Werken z.B. mit ihren äußerst engen Fertigungstoleranzen mutet es geradezu komisch an deren Zapfen mit der Handrollierfeile bearbeiten zu wollen. Die Antwort auf diese "Unflexibilität" vieler Uhrmacher ist ja die vielgeschmähte, von den Luxusuhrherstellern geforderte "Zertifizierung" für Uhrmacher die sich berufen fühlen ihre Werke zu reparieren.
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04.08.2011 23:31 (zuletzt bearbeitet: 04.08.2011 23:37)
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