Ich habe vor kurzem in einem kleinen Laden, der eigendlich nur Lampen verkauft, in einer Ecke eine kleine Uhr sitzen sehen, ging hinein und fragte, was diese arme Uhr denn da in der staubigen Ecke mache - kurzum der Händler holte sie hervor und siehe da, es war eine Kienigner und Obergfell Magnetpendeluhr in einem Glas-Messinggehäuse.Ich habe die Uhr gekauft um sie zu retten. Das Gehäuse war in einem jämmerlichen Zustand. Die offensichtlich lackierten, gebürsteten Messingflächen waren unter dem Lack korrodiert. Ich habe ungehäure Mühe gehabt die Flächen wieder einigermaßen sauber zu bekommen.
Es wäre wunderbar, wenn jemand von den Erfahrenen Uhrmachern mir einen Tipp geben könnte, wie man damit vernünftiger Weise umgeht. Welches Mittel kann man empfehlen?
Schon vorab herzlichen Dank und viele Grüße!

Guten Morgen!

Ich bin leider kein erfahrener Uhrmacher, aber mein Mittel der Wahl bei diesen Uhren ist meistens Glanol®, ein weiches, fusselfreies Tuch und Muskelkraft. Alternativ kann man eine Reinigung vorher im Ultraschallbad mit Tickopur versuchen.
Manchmal ist bei diesen Uhren allerdings auch die Oberfläche durch Lacke "verdedelt" so dass darunter nicht mehr Messing sondern andere Legierungen zum Vorschein kommen.

Gruß Michael

Hier muss man klar unterscheiden, ob man die Uhr fachgerecht restaurieren will, oder ob man sie "aufpolieren" will, dass sie möglichst wie neu aussieht.
Das wird auch hier im Forum oft durcheinander geworfen.

Als Restaurator wird man höchst vorsichtig den Istzustand reversibel fixieren und weitere Beschädigungen und Korrosion verhüten. (z.B. mit einem mikrokristallinen Wachsüberzug)
Eine schwierige Sache, die umfassende Fachkenntnis erfordert.

Wenn du einfach wieder eine schöne Uhr an der Wand haben willst, dann solltest du den Lack (Zaponlack) mit Lösungsmittel entfernen und dann die Messingteile polieren bzw schleifen.
Ganz so, wie sie damals in der Fertigung behandelt wurden.
Evtl. kann man hier mit einer Trowalisiermaschine arbeiten, die viel Arbeit spart.
Danach wird alles wieder zaponiert

Einem echten Restaurator würden bei so einer Behandlung allerdings die Haare zu Berge stehen, weil quasi eine "neue" Uhr entsteht.

Interessanter Gesichtspunkt, unter dem ich das noch nicht gesehen habe. Also meist halte ich es schon so, dass man sehen darf, dass es sich um eine alte Uhr handelt. Der Aufwand der Restauration lohnt sich meines Erachtens nur für besonders sammlungswürdige Stücke, da die meisten gehandelten Uhren doch Gebrauchsuhren aus dem letzten Jahrhundert sind.

Vor kurzem habe ich für einen Freund einen Höfner (Beatles-)Bass verkauft, da war der Hals bedingt durch die Bauweise und das Alter krumm und musste neu eingeleimt werden. Das kann ein Fachmann erledigen, aber ich würde NIE auf die Idee kommen das Instrument abzuschleifen und neu zu lackieren... Also wieder einmal alles eine Frage der Sichtweise bzw des Standpunktes!

Gruß Michael

Vielen Dank für die Erläuterungen! Ich habe wieder was dazu gelernt. Nun, da die Uhr nicht sehr alt ist und von diesem Standpunkt aus nicht restauriert werden muß, werde ich den Zaponlack entfernen und die Teile dann in Gelbar reinigen, polieren und so wird die Uhr wieder Glänzen. Den Zapon Überzug werde ich mir sparen, ich werde die Oberflächen mit Balistol einreiben.
Es handelt sich bei der kleinen Uhr um eine Magnetpendel Uhr von Kieniger und Obergfell - in der Skelettvariante mit facettierten Scheiben. Die Uhr war in einem kleinen Lampenladen in einer Ecke auf dem Boden gestanden und gammelte dort vor sich hin. Ich habe sie wieder zum Leben erweckt, ihre elektronische Seele wieder vervollständigt und jetzt steht sie (noch mit einigen Flecken) oben auf den Schubladenschränkchen meines Arbeitstisches. Dort sieht sie auch so schon schön aus.

Balistol?
(gib das mal hier in die Such-Funktion ein!)

Mein Lieblingsmessingputzmittel: SIDOL in der Tube

Zapponlack geht schwer ab, wenn möglich in die Trowalisierung, kostete die wenigste Kraft.

Hallo Tempus Fugit,

entnehme ich Deinem Beitrag, daß Du nicht besonders viel von Balistol hälst? Ich werde mir die Beiträge mal anschauen, versuche mich aber gerade erst einmal in diesem Forum und weiß noch nicht, wie ich alles finde. Aber ich freue mich diese Seite entdeckt zu haben, weil ich schon wirklich sehr hilfreiche und kompetente Beiträge gelesen habe!

Ich habe mit dem Balistol ziemlich gute Erfahrungen gemacht. Ich verwende es zum Bleistift auch um ein Urhwerk zu konservieren, wenn ich es aufhebe und später reinigen will. Es verhindert Korrosion und lößt Verharzungen auf, es neutralisiert Säuren - auch die agressiefen Bestandteile, die sich in den Fetten und der Feuchtigkeit der Hände befinden. Zudem ist es völlig ungiftig und hat auch schmierende Eigenschaften. Einige Bestandteile sind flüchtig, was übrig bleibt verharzt aber nicht. Dunkle Gehäuseoberflächen (Holz) kann man damit super aufmöbeln.

Ich würde mich über Erkenntnisse diesbezüglich, negativer Art sehr bereichert fühlen. Lieber Gruß
Gerd aus Frankfurt am Main

Zu meiner Bemerkung bezgl. Ballistol kann ich noch hinzufügen, daß die "Verfärbungen" bei Messing dann auftreten, wenn man Messing einer großem Menge von diesem alkalischen Öl aussetzt - so wie in dem Beitrag des Urhmachers in diesem Forum, der eine Platine in Balistol eingelegt hat. Das kommt daher, weil Kufer von dem Zeug angelöst wird. Messing ist eine Kupferlegierung und wird Grün druch die alkalische Eigenschaft des Ballistols. Gerade deswegen aber ist es auch hervorragend geeingent um Messing zu säubern, weil es die Kuferoxidschicht anlöst, nur darf man die Teile nicht darin baden.
Eine Uhr mit dem Mittel ölen würde ich auch nicht - höchstens Tröpfchen zum anlösen der Verhazungen von altem Öl. Was auch nicht gut geht, ist gerade mit einem Reiniger, wie Gelbar, gereinigte Teile mit B. zu überziehen. Die gerade durch agressiefen Reiniger "aufgehellten" Teile würden dann sehr schnell eindunkeln. - Macht ja auch kleinen Sinn, weil die gereinigen Teile ja frei von allem Schmutz sind. Jedenfalls ist die alkalizität des B. der Preis für seine Eigenschft nicht zu verharzen........
Ich danke Tempus Fugit für seinen Einwurf, denn so habe ich mich nochmal eingehend mit der Sache beschäftigt!

Hallo Siverl,
vielen Dank für den Tip mit dem Sidol - das ist wiklich prima. Ich hatte noch eine größere Menge einer älteren Politur "Stahlfix" - die riecht nicht nur giftig sondern die ist giftig - habe ich heute mit zum Entsorgungsunternhemen geracht.
Grüße gerd

Zaponlack kann man meistens mit warmem Aceton auflösen wenn man die Teile lange genug einweicht.

Ballistol als Ersatz für Zaponlack ist eher ein Witz oder?

Ja, da hast Du, mirkomeister, recht! Ich lass das mal lieber! Ich werde das ganze Gehäuse nochmal auseinander nehmen und in Aceton gründlich einweichen, alles was drauf ist abspülen und dann mal sehen was ist.

Ich habe dank dieses Austauschs gelernt und möchte mich bedanken! Hier sende ich ein Bild von der "Kundo" Uhr, bei der ein Germaniumtransistor als Verstäker des Steuerspulenimpulses (hat zwei Spulen eine "Arbeitsspule", die das Magnetfeld für den Erhaltungsimpuls liefert und eine Steuerspule, die über einen Vorwiederstand das Gate des Transistors aufschaltet, sobald der Dauermagnet des Pendels in die Steuerspule eintaucht) arbeitet - einfach aber irgendwie genial, die Uhr läuft selbstständig an (wenn nur die kleinste Bewegung im Pendel ist und diese genau in der Waage steht)

P3301491.JPG - Bild entfernt (keine Rechte)
Frohe Ostern und Grüße von Gerhard