Diese Uhr habe ich dieses Jahr erwerben können, nicht ohne vorher relativ gründlich recherchiert zu haben. Der Uhrmacher ist in der Literatur beschrieben als Hersteller von Standuhren und Wanduhren, sowohl mit 8-Tage als auch mit 30-Stunden Werken. Die von ihm heute bekannten Uhren sind praktisch alle von recht gehobener Qualität, so auch diese.

Hier die Ansicht von vorne. Der Uhrentyp wird als "Hook and Spike" bezeichnet und ist sehr ähnlich den sogenannten Laternenuhren. Sie hat 30 Stunden Laufzeit, Ankerhemmung und ist dennoch einzeigrig, was in der "Provinz" erheblich länger beibehalten wurde, als in London, wo Ankerhemmungen praktisch sofort wegen der viel besseren Genauigkeit der Uhren mit zwei Zeigern ausgestattet wurden.

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Wer sich ein wenig auskennt erkennt zwei ungewöhnliche Merkmale. Zunächst sieht man, dass der Bogen nicht einteilig mit dem Rest des Ziffernblattes ist. Dann erkennt man, dass der Stil des Bogens ("Arch") nicht 100% zum Stil der Ziffernblattapplikationen ("Spandrels") passt. Dabei ist kurios, dass man den Arch etwas früher als die Spandrels datieren würde. Hier die Signatur, die sehr konsistent mit anderen Uhren von William Lee ist.

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Die Seitenansicht zeigt Türen aus gegossenem Messing, was ein besonderes Qualitätsmerkmal ist. Messing war damals etwa 20-fach teuerer als Eisen.

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Das Werk birgt keine Überraschungen oder gibt Anlaß zu "Mecker" Die Schrauben sind allesamt (!) authentisch, mit handgefertigtem quadratischen Kopf mit gesägtem Schlitz. Oben rechts im folgenden Bild ist eine zu sehen. Ebenso im vorstehenden Bild, zur Befestigung der Spandrels von der Ziffernblattrückseite.

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Bleibt die Frage des angesetzten Bogens. Das ist mit zwei genieteten Bügeln rechts und links gemacht worden.

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Die Bearbeitung und Art der Vernietung ist auf jeden Fall recht alt. Besonders auffällig ist, dass die Bügel in ihren oberen Bereichen Ausnehmungen aufweisen, die den Durchbrechungen des Arch an der Befestigungsstelle entsprechen. Wodurch die Bügel bei der Vorderansicht nicht aufallen, weil man auch an diesen Stellen durch schauen kann (auf einer Seite besser als auf der anderen Seite). Eindeutig ein Signal, dass wer auch immer das gemacht hat, kein "Frickler" war, sondern sorgfältig und mit Bedacht arbeitend.

Hinzu kommt, dass es aus der Zeit bekannt ist, dass mitunter ein Arch bei einem rechteckigen Ziffernblatt angesetzt wurde. Hier eines von mehreren Literaturbeispielen aus der Zeit.

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Nimmt man hinzu, dass der Arch an der William Lee Uhr ein wenig älter als das Ziffernblatt zu sein scheint, dann liegt die Vermutung nahe, dass das Ansetzen des Arch schon bei der Herstellung der Uhr erfolgte, wobei ein Arch aus dem Bestand verwendet wurde. Es macht auch ästhetisch durchaus Sinn, weil dadurch die "nackte" Glocke nicht dem Blick des Betrachters ausgesetzt ist. Natürlich läßt sich die Vermutung nicht beweisen, solange nicht mehrere Uhren gleicher Bauart desselben Uhrmachers und derselben Herstellungszeit bekannt werden. Ich würde allerdings aufgrund der Machart der Befestigung und der Sorgfalt bei der Anbringung von Durchbrechungen an den Bügeln die Hypothese für eher richtig als falsch einschätzen.

Dieses Beispiel zeigt aber auch, wie schwierig es ist Uhren dieses Alters auf Originalität einzuschätzen, zumal es auch und gerade damals schon eine "Individualisierung" bei der Herstellung gab. Dieser Fall hat ansonsten den Reiz, dass wenn der angesetzte Arch sind als nicht original erweisen sollte, der originale Zustand ja ganz einfach wieder herstellbar ist, nämlich durch Entfernung des Arch. Ich beabsichtige allerdings - so oder so - das Teil dran zu lassen, denn es ist Teil der Geschichte dieser Uhr.

Beste Grüße, Bernhard

Hallo Bernhard,
wäre es möglich das die Spandrels ursprünglich zu einem anderen (größeren) Zifferblatt gehört haben?

lg Christian

Hi Christian,

das ist m.E. ziemlich sicher nicht der Fall (100% sicher kann man nie sein!).

Erstens gibt es im Zifferblatt keine anderen Löcher als die Befestigungslöcher für Schrauben, mit denen die Spandrels angeschraubt sind (auch nicht verfüllt). Zweitens haben die Spandrels keine "überflüssigen" Befestigungsgewinde auf ihrer Rückseite. Das war damals Handarbeit und die Wahrscheinlichkeit genau passende (von der Befestigung her) Spandrels für ein "falsches" Zifferblatt zu finden geht gegen null. Wenn man Uhren aus dieser Zeit zerlegt, dann stellt man fest, dass selbst die vier Spandrels oft untereinander noch nicht einmal austauschbar sind, man tut also gut daran sich zu merken, wo welches Spandrel sitzen muss. Gilt auch für grundsätzlich alle Schrauben, auch der Spandrels.

Deine Frage bezieht sich auf die leicht unterschiedlichen Bogenradien von Chapter Ring, außen, einerseits und des Innenrandes der Spandrels andererseits. Das passt selten absolut exakt. Vergleicht man mit dem Literaturbeispiel in meinem Post, ist das bei der Lee schon geradezu vorbildlich. Natürlich hinkt dieses Argument etwas, denn bei dem Literaturbeispiel (und anderen Uhren) könnten die Spandrels ja auch "falsch" sein (allerdings m.E. ebenfalls unwahrscheinlich). Mit ein Grund für meist (= nicht immer) nicht wirklich exakte (nach heutigen Maßstäben) Anpassung der Bögenradien liegt vermutlich in der damaligen Arbeitsteilung, die Spandrels wurden typischerweise vom Uhrmacher zugekauft, oft auch auf Vorrat. Und sooo genau wurde es oft auch nicht genommen, man denke daran, dass nicht selten Graveure bei der Signatur Schreibfehler machten, oder eine andere Schreibweise als bei einer Werkssignatur verwendeten, und das Ziffernblatt dennoch verwendet wurde

Schließlich passen die Spandrels stilistisch zum etwaigen Herstellungszeitraum.

Letzters ist natürlich das schlechteste Argument. Das stärkste Argument ist demgegenüber das eingangs genannte, erst recht in Zusammenschau mit den anderen Aspekten.

Beste Grüße, Bernhard

P.S.: Ich würde eher mißtrauisch werden, wenn sozusagen Spaltmaße wie bei modernen Autos vorlägen, weil das m.E. auf eine (hochwertige) moderne Nachfertigung hinweisen könnte (was aber auch nicht sein muss)