Ich habe nicht viel Erfahrung im Härten und Anlassen von kleinen Uhrenteilen.
Dafür von mittleren Querschnitten wie Messern oder kleinen Werkzeuge.

Wenn ich die ungemein interessanten Videos auf Youtube z.B. von Steffen Pahlow anschaue, dann sehe ich deutliche Unterschiede zur Wärmebehandlung von größeren Werkstücken.
Wenn ich das nun mit meinen Messerschmiederfahrungen vergleiche, dann scheint mir die Vorgehensweise auf den ersten Blick überraschend rustikal.
Das Ergebnis stimmt aber offensichtlich trotzdem.

Mir fällt z.B. auf, dass die filigranen Uhren-Teile nach Augenmaß in der hellen Werkstatt auf hellrotglut gebracht werden (950°?) und dann in Motorenöl abgeschreckt werden.
Anlassen geht offensichtlich genau genug nach Farbe.
Welche Stähle verwendet werden weiss ich nicht. Wahrscheinlich Ck45 oder CK60 oder?

Die normale Härtetemperatur für C60 ist nach Stahlschlüssel z.B. nur max 840°, was in einem abgedunkelten Raum gut kirschrot ist. Darüber kommt es zu Gefügevergröberung und Ausscheidungsvorgängen wie Korngrenzenzementit der das Bauteil hinterher spröde macht.

Abschrecken in Öl ist sicher richtig für die kleinen Teile, wobei bei den Querschnitten wahrscheinlich ein bisschen Pressluft schon reichen würde.
Rapsöl stinkt übrigens weniger und lässt sich hinterher kompostieren.

Das überaus wichtige Anlassen kenne ich nur mit mehreren Stunden im Ofen und genau kontrollierter Temperatur. Schließlich stellt das die Werkstoffeigenschften maßgeblich ein.

Daraus ergeben sich für mich ein paar Fragen von natürlich eher akademischer Relevanz:
Ist die optimale Härte und Zähigkeit bei Uhrenteilen nicht so wichtig, weil sowieso nicht ausgereizt?
Wird das Einpacken in Folie zur Oxidationsverringerung nicht angewendet?
Kennt man als Uhrmacher die Bestimmung der richtigen Härtetemperatur mit dem Magnettest (hält nicht mehr=Härtetemperatur)
Ist das Richten von gehärteten Teilen Sekunden nach dem Härten aber noch vor dem Anlassen eine angewandte Methode.
Verwendet man das Richten nach dem Anlassen durch Hämmern mit einem Hartmetallhammer?

Das soll alles um Gottes Willen keine Kritik an irgenjemandens Vorgehensweise sein.
Eher ein über den Tellerrand schauen.

Also zu meiner Lehrzeit haben wir nur sogenannten Silberstahl gehärtet. Empfindliche Teile das heisst Teile mit unterschiedlichen Durchmesser und zur Oxydationsverhinderung mit mehreren Lagen Bindedraht umwickelt und mit Schmierseife bestrichen hellrot erhitzt und in Wasser mit Oelschicht obenauf abgeschreckt. Ich weiss ein langer Satz aber ich lasse ihn stehn.
Angelassen wurde nach den Anlassfarben.
Bei Bedarf mache ich das heute auch noch so.

Gruss Wolfgang

Schmierseife ist interessant. Reduziert das chemisch die Oberfläche?
Muss da wohl unbedingt Schmierseife (Kaliumverseift) verwendet werden oder tut es auch eine normale natriumverseifte?

Wasser mit Ölschicht kühlt sehr schnell mit entsprechender Rissgefahr an eben den erwähnten schwierigen Stellen.
Fast sicher tödlich ist kaltes, reines Wasser. Das weiss ich aus eigener Erfahrung.

Silberstahl ist gemeinhin ein nicht- oder niedriglegierter Stahl mit ca 1,1%C.
Der wird bei Querschnitten kleiner Bleistiftdicke sogar in 80°C warmem Salatöl glashart, wobei da die Fehlerrate durch Härterisse deutlich kleiner sein sollte.
Optimale Härtetemperatur ca. 830°C, also bei weitem nicht hellrot.

Das Anlassen nach Farbe, in der Regel blau = 280-300°C ergibt bei einer Haltedauer von typischerweise 1h 58-59 HRC.
Wäre interessant, was da bei 10s passiert.

Um 300°C neigen übrigens viele Stähle zur Blausprödigkeit, weshalb man in anderen Branchen gerade diese Anlasstemperatur gerne umschifft.

Eben wegen der Rissgefahr wurden die Teile eng mit mehreren Lagen weichem Bindedraht versehen. Was die Schmierseife angeht war das meiner Erinnerung nach immer die ganz normale Putzseife. Aber wie gesagt da ich auch schon zum älteren Semester gehöre kann ich aus der Erinnerung heraus nicht mehr dazu sagen.
In Bezug auf die Anlassfarben wurden Unruhwellen immer blauhart gedreht.


Gruss Wolfgang

Ich mache das auch via Schätzung, durch Erfahrung - anhand der Farbe!
Anlassen musste ich Stähle nur wegen der Punzen bzw. Stempelherstellung - aber mit Messern kenne ich mich sehr gut aus und da gehe ich eigentlich genauso vor!

Ich erhitze den Stahl ach Augenmaß (Oxidation spielt bei mir keine Rolle, da ich die Stempel ohnehin noch versäubern und polieren muss! Aber grundsätzlich verwende ich da "Borax" und zwar
nur das Flüssige!).
Ich gebe dem Stahl eine dunkelrote, gleichmäßige Farbe durch Hitzezufuhr und dann führe ich dem Stahl von hinten zusätzlich Hitze zu, bis ich eine strohgelbe Farbe erreiche
und führe diesen Farbverlauf langsam nach vorne fort, aber nicht bis zum Schluss, da die Hitze noch nach außenhin "wandert". Dann warte ich kurz und schrecke ab! Abschrecken kann man es in jedem beliebigen Öl, auch in pflanzlichen Öl! Wobei das meiner Meinung nach, mehr stinkt!
Wasser reicht auch aus, wobei das wohl nicht optimal ist. --> Das wäre so grob meine Vorgehensweise. Auch wenn es nicht deine Frage war, aber so sehen wir vll. Unterschiede, ob jmd. anders vorgeht und wenn ja, wo und wie genau? Vll. kann man sich ja etwas abgucken. Über Tipps würde ich mich freuen....

Mit Uhrenteilen kenne ich mich nicht aus - weiß auch dementsprechend nicht, welche Stahlsorten verwendet werden. Aber um welche Teile geht es denn genau?
Vll. finde ich die Info. irgendwo oder jmd anderes kann dir helfen... ^^

PS: Nach dem "Härten", wird man mit einem Gummihammer nicht mehr viel richten können. Da hilft meines wissen nur noch ein Metallhammer.

VG

Wenn man in das Suchfeld "härten" eingibt wird man sehen was hier zu diesem Thema alles schon geschrieben wurde.

Sicher nicht akademisch, wissenschaftlich, sondern mehr praktisch nachvollziehbar.
Die Zeiten der selbstangefertigten Bohrer z.B. ist ja seit der Entwicklung der Spiralbohrer so gut wie vorbei und an Uhrwerken selber ist die Zahl der zu härtenden Teile überschaubar klein und sie können in der Regel nachbestellt werden wenn es sich nicht um allzu alte Werke handelt, oder sowas spezielles ist wie ein Drehgestell für eine Tourbillonuhr, sodaß sich der Vorgang des Härtens und Anlassens bei mir selber fast nur auf wenige Werkzeuge bezieht.

Und wenn ich mal z.B. einen Körner nachschleifen muß und die Härte geht dabei raus, dann mach ich beim Anlassen das Licht aus, und wenn die Spitze dunkelrot geworden ist tauche ich das Teil in mein Marmeladeneimerchen mit Altöl - und fertig ist die Laube.

Ich hatte mal vor Jahren ein Fadenpyrometer wie es früher in der Eisenindustrie verwendet wurde. Verglich man die Farbe des regelbaren Glühfadens mit der Farbe des erhitzten Werkstücks, was durch eine Optik leicht möglich war, konnte man an einer Skala die Temperatur des Werkstücks ablesen.
Habs dann einem Sammler geschenkt, weil ich die Farben der benötigten Temperaturen für Härten oder Anlassen in meinem bescheidenen Bereich durch Erfahrung im Kopf habe.
Ansonsten gebe ich Pahlow recht, man wird bei speziellen Teilen nicht ums Ausprobieren herumkommen.